Montag, 22. November 2010

Zurück zum Konsens

Nach den Debatten über Bildung, die Bundeswehr im Ausland und die Frage nach der Beteiligung der Verursacher der Finanzkrise (auch wenn diese These stark verkürzt ist) an deren Bewältigung ist es einmal wieder Zeit für ein Konsensthema in Deutschland.

Ein Volk in Angst lässt sich bekanntlich leichter regieren und die Deutschen neigen offensichtlich zur Präventivparanoia (H. Rether). Nun sind wir also auf Stufe neun der Zehnerskala und schwerbewaffnete PolizistInnen prägen das Bild der öffentlichen Orte, v.a. an jenen, welche der Infrastruktur zugehörig sind. Doch warum?

Wie unsinnig Maschinenpistolen in diesem Kontext sind, ist offensichtlich. Ein Akt der Terrorabwehr, zumal gegenüber Selbstmordattentätern, stellen diese nicht dar. Vielmehr erscheint es auch hier so, dass – vor allem auf Betreiben der Unionsparteien – das Volk einmal wieder an einen Zustand herangeführt werden soll. Ähnlich wie bei der vorsichtigen Installation von Kameras gibt es nun die Gewöhnung an paramilitärische Einheiten.

Doch die Sicherheit ist ein Konsensthema in Deutschland. Und dafür nimmt der brave Bürger bekanntlich so einiges hin, er hat doch nichts zu verbergen. Angst haben soll das Volk nicht, aber aufmerksam sein und natürlich das tun, was es immer tut. Gleichzeitig baut der Staat eine einschüchternde Kulisse auf. Wer einmal in Mitten eines Polizeikessels gelaufen ist, so wie ich es Anfang des Jahres in Frankfurt erlebt habe, weiß um die Stimmung, welche von Vermummten ausgeht, die Einen durch die Nacht führen.

Zuletzt wurde nachgelegt: Es solle kein pauschales Misstrauen gegenüber Moslems geben. Abgesehen natürlich von Jenen, die arabisch sprechen und viel Zeit in ihrer Wohnung verbringen.

Die Finanzkrise der dreißiger Jahre brachte den Faschismus mit sich. Die SS marschierte paramilitärisch auf und der subtile Antisemitismus wurde gestärkt. Die Angst vor dem Islam ist in Deutschland jedoch nicht subtil, auch nicht das Misstrauen und der unverhohlene Hass. Auch nicht die Diffamierung. Wenn ein Innenminister solche Statements abgibt, so weiß er darum, dass sich die Wirkung in Gegenteiligem ausdrückt.

Achja, das macht mir Angst.

Montag, 1. November 2010

Sunk Cost Fallacy

An dieser Stelle erneut ein wenig "Literatur". Auch diese Geschichte liegt in jenem Ordner, welcher, im besten Falle, einmal unter dem Titel "Agonie & Ecstasy" veröffentlicht wird. Viel Spaß!

Ihr Körper bildet im Gegenlicht eine verführerische Silhouette, welche ich beobachte, während ich rauche. Sie streift sich ihr Top über, das letzte Kleidungsstück, bevor sie das Gegenlicht verlassen, in den Flur gehen und sich ihre Jacke und Schuhe nehmen wird.

Ich liege auf dem Bett und mein Körper zittert. Ich sehe es an der Zigarette in meiner Hand, welche immer wieder einen Teil ihrer Asche auf den Laken verliert, weil ich sie nicht ruhig über dem Aschenbecher halten kann. Ich sehe es an der Decke, welche unter den Bewegungen meiner Füße bewegt. Inzwischen hat sie das verführerische Gegenlicht verlassen. Sie wird wiederkommen, kurz, sich verabschieden. Sie ist ist höflicher Mensch. Und ich liege dort, halte krampfhaft den glühenden Tabak und versuche mich zu beherrschen, bis sie endgültig die Tür nach sich geschlossen hat. Sie ist nie geblieben. Anfangs wartete ich immer auf die Schritte. Die zufallende Tür. Dann eine Pause. Dann die Schritte. Die Schritte, welche mir zeigen sollen, dass es nur eine kurze Provokation war. Ihre Silhouette erneut im Gegenlicht, ihre Kleidung, wie sie fällt und sie wieder zurück ins Bett kommt, an meine Seite. Ihre Haut so nah meiner zu spüren, ihr Kopf in meinen Armen und dann der Schlaf. Der Schlaf im sanften Gegenlicht, welches nicht mehr ihre Silhouette zeigt. Sie zeigt sie nicht, denn sie liegt neben mir, in meinen Armen und ich schlafe ein und rieche den Duft ihrer Haut. Nicht jenen Duft, welchen die Laken noch immer in sich tragen, nein, den Duft, welcher direkt von ihrer Haut ausgeht.

Und so fällt das sanfte Gegenlicht auf mich. Es provoziert mich, denn erneut fällt es auf mich und erneut erklingen keine Schritte. Die Tür fiel in das Schloss, es gab nur einen kleinen Laut; einen Laut, welchen die Nachbarn nicht hören werden. Ich liege hier und zittere. Ich sehe es an der Zigarette in meiner Hand, welche immer wieder einen Teil ihrer Asche auf den Laken verliert, weil ich sie nicht ruhig über dem Aschenbecher halten kann. Ich sehe es an der Decke, welche unter den Bewegungen meiner Füße bewegt. Inzwischen ist das Gegenlicht nicht mehr verführerisch; es verspottet mich. Armer Tor! Glaubst immer noch, du könntest diese Frau besitzen? Besitzen? Nicht besitzen! Sie bei dir haben. Sie kommt wieder, immer wieder. Sie kommt zu dir und raubt dir deine Sinne. Raubt dir die Sinne, weil sie dich ihre rauben lässt. Und dann? Dann liegst du dort und starrst in das sanfte Gegenlicht, welches plötzlich so brutal erscheint und schämst dich deiner selbst. Doch für was? Du hast nichts falsches getan! Du liegst nur dort.

Dein Leben ist kein Versagen. Du kommst über die Runden, hast einen guten Job und verdienst gutes Geld. Deine Wohnung erscheint nicht so, aber du bist bescheiden. Auf deinem Konto häuft sich langsam Geld an. Du hast Freunde, Bekannte, hast Menschen, mit denen du regelmäßig zu tun hast. Du gehst einmal in der Woche Fußball spielen. Du schwimmst an zwei weiteren Tagen und besuchst einen politischen Stammtisch. In deinem Regal stehen zwei Bücher, die du selbst verfasst hast. Und dennoch starrst du in dieses Gegenlicht und erwartest diese Schritte, welche sanft über dem Boden schweben. Sanft wie ihr Lächeln. Dieses Lächeln, die Opposition ihres sexuellen Gebahrens. Wenn du über sie hergefallen bist – so wie Sie über Dich – dann möchtest du dieses Lächeln spüren. Möchtest in dich aufnehmen – sensititv. Möchtest ihre Haut an deiner spüren- Möchtest es aufnehmen – olfaktorisch. Willst ihren Geruch niemals missen müssen. Möchtest es aufnehmen – gustisch. Willst sie küssen. Möchtest es aufnehmen – auditiv. Möchtest das sanfte Atmen ihres Schlafes hören. Möchtest es aufnehmen – visuell. Willst das sanfte Auf- und Ab ihrer Brust sehen. Doch du liegst hier und starrst in das Licht.

Ich stehe auf, lösche das Licht. Im Halbdunkel des Raumes beginnt eine zweite Paarung. Die verführerische Mary Jane trifft den rauen Jack Daniels. Sie verstehen sich gut. Sie brauchen dieses elende sexuelle nicht. Sie schmiegen sich ineinander, umringen einander, vereinen sich, stoßen sich ab, bleiben, gehen und am Ende liegen sie Arm in Arm beisammen und bereiten einen schönen Schlaf. Sich und mir.
Es klopft an der Tür und ich erwache aus meinen Gedanken. Das Licht ist noch immer an und ich habe die letzten Minuten nur geträumt. Wollte sie hinzu träumen und erwache nun in froher Hoffnung. Wer, wenn nicht sie. Ich eile. Ich verlangsame. Nein, auch du warst beschäftigt. Ich lasse mir mehr Zeit, als nötig wäre. Langsam öffne ich die Tür, versuche verschlafen und gewinnend zu blicken. Vor meiner Tür stehen zwei Männer. Ich erkenne ihre Uniformen. Es sind Beamte der Bundespolizei. Ich öffne die Tür und ergebe mich vollständig. Ich weiß nicht warum, ich habe nichts getan. Doch der Moment ist zu passend. Sie legen mir Handschellen an und führen mich das Treppenhaus herunter.

Auf der Straße steht sie und raucht eine Zigarette, ein Polizist spricht mit ihr. Später werden sie mir alles sagen. Sie hatten mich im Auge, ich war unschuldig, sie manipulativ. Ich begehrte sie so sehr, dass ich jede ihrer Anspielungen als Aufforderung nahm und mich selbst belastete. In ihren Sachen war immer ein Tonband. Jede Nacht mitgeschnitten und immer hatte sie mehr gefordert und ich ihr mehr gegeben. Wenn sie nur diesen Kriminellen lieben konnte, ich wollte dieser Kriminelle sein- Hauptsache, sie liebte mich. Langsam schritt ich an ihr vorbei. Bedauern? Angst? Apologetik? Desinteresse! Nur das lag in ihrem Blick. Sie war, wie sie mir später mitteilten, eine Prostituierte. Sie wurde bezahlt für jede Nacht. Ein Spitzel und eine Hure. So viele Frauen hatte ich neben ihr und nur Sie wollte ich. Ein böses Spiel des Schicksals.

Als ich zu Bett ging ergriff ich die gesammelten Tabletten unter meinem Kissen. Ich war ein vorzüglicher Häftling. Ich hatte die Schuld gestanden, obwohl ich die Materie nicht verstand, in welcher ich mein Verbrechen begannen hatte. Ich bekam ein sanftes Urteil. Bei mir wurden psychische Krankheiten festgestellt. Angstattacken, schizophrene Anfälle. Ich behielt die Tabletten, so gut es mir möglich war. Nun waren es nur zwei Tage bis zum Ende meiner Haft. Ich ging zum Waschbecken und füllte den Becher mit Wasser. Daraufhin setzte ich mich auf mein Bett und starrte in Richtung der Tür. Durch die Luke fiel ein matter Lichtschein. Ich nahm eine Tablette nach der Anderen, dann zwei auf einmal, dann drei, dann vier. Irgendwann hatte ich sie alle geschluckt. Ich blickte dem matten Lichtschein entgegen, welcher zu jenem Gegenlicht wurde, in welchem sich ihre Silhouette widerspiegelte. Das Licht veränderte sich. Ich hörte Schritte; diesmal kam sie zurück.