Montag, 3. Oktober 2011

Spielplatz (vorübergehend) geschlossen - Eine Replik

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 25.09.2011 schrieb Nils Minkmar einen Lobgesang auf die deutsche Universität. Das einzige Problem daran: Ihr Schwächen hat er sehr gut erkannt, ihre Stärken jedoch massiv verzerrt dargestellt. Es stimmt zwar, dass die Zahl der Studienanfänger massiv steigt; das hat jedoch weniger mit einer neuen, interessierten und intellektualisierten Jugend zu tun, als mehr mit der Tatsache, dass inzwischen für immer mehr Berufe ein Studium notwendig ist.

Massiv fallen dabei vor allem zwei Studientypen auf. Zum einen sind das die Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler, die trotz des Schwerpunktes auf die Betriebswirtschaftslehre meinen, binnen weniger Jahren seien sie Börsenmillionäre, aber außer ein paar theoretischen Modellen in ihrem Studium nichts gelernt haben – vor allem keinen kritischen Blick auf jene Wirtschaftsmodelle. Zum Anderen ist es die „Irgendwas-mit-Medien“-Generation, die sich gerne in Studiengängen wiederfindet, die irgendwie ein bisschen Soziologie, mit ein bisschen Informatik, ein bisschen BWL und ein bisschen Kulturwissenschaft – im weitesten Sinne – mischen. Auf die deutsche, und nicht nur diese, Publizistik kommt also eine Welle von Nachwuchsschreiberlingen zu, die mal ein bisschen Schreiben gelernt haben, jedoch kein Gebiet, worüber sie schreiben könnten.

Auch der Suaheli-Anekdote des Herrn Minkmar ist etwas entgegenzusetzen; eine Spanisch-Anekdote nämlich. Eine Kommilitonin von mir wurde gerade in diesem Semester aus einem Spanischkurs geworfen. Er war weder überfüllt, nicht einmal voll, noch wollte sie einen Schein erwerben und hätte somit irgendeine Form von bürokratischem Aufwand erzeugt. Sie wollte lediglich ihre spanischen Minimalkenntnisse etwas erneuern. Leider wurde dieser Kurs vom falschen Institut veranstaltet. Nicht einmal von einer Fakultät, welcher sie nicht angehört, lediglich von dem falschen Institut innerhalb der gleichen Fakultät!

Der Abenteuerspielplatz, wie ihn Herr Minkmar an der deutschen Universität gerne sehen möchte, existiert so nicht. Es ist wahr, dass einige wenige sich aus der Schafherde lösen und eine schöne Zeit an der Universität verbringen. Diese jedoch bleiben auch oft da und werden in Zukunft wiederum wenige begeistern können. Die Majorität der Studierenden rennt jedoch blökend von Seminar zu Seminar, Vorlesung zu Vorlesung und Büro zu Büro. Sie ist weder in der Lage kritisch zu denken, noch Inhalte zu hinterfragen, eigenständig Interessen auszubilden oder gar Spaß an wissenschaftlichem Arbeiten zu entwickeln.

Ob der Ansturm auf die Universitäten unter diesen Gesichtspunkten so positiv zu sehen ist, erscheint durchaus fragwürdig. Es erscheint eher, dass die Universität als Abenteuerspielplatz aufgrund des großen Ansturms aus Sicherheitsgründen geschlossen werden muss. Aber direkt gegenüber steht ein kleines Verwaltungsgebäude mit netten grauen Fluren. Man muss nur vorher eine Nummer ziehen.

Dienstag, 9. August 2011

Deutschland, äh, London in Flammen

Zu dem, was gerade in London - und inzwischen wohl auch in Birmingham und Liverpool - passiert, werde ich mich in den nächsten Tagen noch ausführlicher und vor allem auf meine persönliche Meinung bezogen, äußern. Bis dahin möchte ich auf einen Artikel von mir hinweisen, welcher hier zu finden ist.

Freitag, 8. Juli 2011

Von Demokratieexporteueren und Kriegstreibern

Ich möchte an dieser Stelle mit einer kleinen Geschichte, einer Allegorie beginnen:

In einem kleinen Land gibt es einen König. Diesem Land geht es, aus verschiedenen Gründen, sehr gut. Oder anders: In diesem Land geht es Einigen sehr gut, Anderen gut und wiederum Anderen nicht so gut, hungern muss keiner. Nun, da das Volk aber satt ist, stellt es Fragen nach emanzipatorischen Schritten. Es fragt sich zum Beispiel die Bauernschaft, warum denn nur der Adel eine höhere Bildung erreichen darf, auch wenn der Bauer doch auch seinen Sohn auf eine höhere Schule schicken könnte. Der König, der von diesen Gedanken natürlich erfährt, ruft den Adel des Landes zusammen und sie beraten, wie sie ihre Privilegien sichern können. Es gibt verschiedene Vorschläge, die aber alle als unzureichend abgelehnt werden. Plötzlich ruft Garf Christian Demoesticus von Uhlsen, man müsse sich unverzichtbar machen für das Volk; der Baron Friedrich Düppelscheidt zu Patringen stimmt dem zu und merkt noch an, man müsse einen Feind schaffen. Aber es gibt keine Feinde gegen dieses Land, und so sucht man und sucht und findet endlich einen Staat, einen renommierten Staat, der über Geld, aber nicht über Technologien verfügt und von dem man weiß, dass seine Eliten mit Gruppen sympathisieren, die diesem Staat gefährlich werden könnten. Das kleine Land rüstet also diesen Staat auf und sieht sich bald bedroht. Es erhöht die Präsenz von Sicherheitskräften und bleibt unangetastet, so war es auch ausgemacht. Die Eliten des Landes jedoch sagen, dass es nur so sei, weil sie da wären, und weil sie schon so lange da wären. Die Menschen, in Angst um ihr Leben, glauben diesen Eliten und geben ihre emanzipatorischen Pläne auf.

Ungefähr so funktioniert die deutsche Politik und dies seit dem Ende des kalten Krieges unter der Regierung Merkel so stark, wie nie zuvor. Wer nur ein wenig in die Historie von Krieg, Frieden und Terrorismus schaut, der findet eine erstaunliche Wechselseitigkeit von Beziehungen. Die Feinde der freien Welt kämpfen zumeist mit Waffen dieser Welt. Die Taliban wurden aufgebaut als Bollwerk gegen den Kommunismus; Saudi-Arabien ist der Hauptunterstützer und das Gründungsland Al-Quiadas. Die führenden Köpfe der Organisation wurden in den USA, in Deutschland und in anderen EU-Staaten ausgebildet. Nun will die deutsche Regierung 200 Leopard Panzer an Saudi-Arabien verkaufen. Vielleicht. Oder auch nicht? Der Sicherheitsrat tagt geheim, aber seit Tagen verteidigen die Koalitionäre eine Entscheidung, die doch irgendwie nie getroffen wurde.

Christian Stroebele merkte in der Bundestagsdebatte zum Thema an, dass der Sicherheitsrat ein Ausschuss des Kanzleramtes ist und die Kanzlerin die Sicherheitsstufe senken könnte. Warum geschieht das nicht? Und warum wurde Saudi-Arabien plötzlich zum geeigneten Partner für Waffenlieferungen.

Oft wird von rechten Politikern die Zustimmung Israels genannt. Doch warum stimmt Israel dem plötzlich zu? Erstaunlicher Weise begründet Israel diesen Umschwung mit dem Wandel in der Region, d. h., der Demokratisierung der arabischen Welt. Auch Israels Politik begründet sich primär auf dem Prinzip Angst. Anders ist es kaum zu erklären, dass eine reaktionäre Partei, wie die Likud-Partei, einen solchen Zuspruch findet. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Avigdor Liebermann das zionistische Recht über die allgemeine Erklärung der Menschenrechte stellt und damit argumentativ auf einer Ebene mit Islamisten und christlichen Fundamentalisten steht.

Auch sollten wir nicht vergessen, dass Saudi-Arabien die Demokratiebewegung in Bahrein niedergeschossen hat. Des Weiteren muss auch betrachtet werden, dass der Streit zwischen Saudi-Arabien – einem der autoritärsten Staaten der Welt – und Iran vor allem ein innerislamischer ist. Es geht hier primär um die Differenzen von Sunniten und Schiiten.

Deutschland hat durch die Arabellion massive Probleme. Moralischer, demokratietheoretischer und vor allem wirtschaftlicher Natur. Wir haben durch die arabischen Despotien so gut verdient wie jeder andere westliche Staat. Vor allem die CDU weiß, wie profitfeindlich Demokratien sein können. Wenn plötzlich Grundrechte mitbedacht werden müssen, kann das die Gewinnspanne schon einmal schmälern. Außerdem kann Despotien mehr abgeknüpft werden. Aus dem letzten Waffengeschäft mit Saudi-Arabien zog die CDU selbst massive finanzielle Vorteile. Es war damals die Schreiberaffäre, die noch immer nicht abgeschlossen ist und deren Repräsentanten heute sogar wieder auf Ministerstühlen sitzen.

Ein weiteres Waffengeschäft mit Saudi-Arabien, vor allem zu diesem Zeitpunkt, wäre ein Schlag ins Gesicht der jungen Demokratiebewegungen. Auch wäre es ein Affront gegen die Werte, denen sich die Bundesrepublik angeblich verpflichtet fühlt. Sollte dieser Vertrag zu Stande kommen und der internationale Gerichtshof nicht eingreifen, so dürfen sich auch jene afrikanischen Regierungschef endgültig bestätigt fühlen, die schon länger die Asymmetrie in Sachen Strafverfolgung zwischen Europa und Afrika sahen.

Zu Bedenken gilt auch Folgendes: Der Terrorismus, von dem wir uns bedroht fühlen – wie berechtigt auch immer – wäre ohne westliche Waffenlieferungen nicht möglich. Neben einem Profit ökonomischer Natur, entsteht auch noch ein machtpolitischer: Ein Volk in Angst lässt sich besser regieren.

Achja, natürlich muss auch klar sein, dass dies kein Erstfall ist. Jede Regierung in der BRD hat eklatante Abwägungsprobleme zwischen Menschenrechten und Profiten aus Rüstungsgeschäften gehabt.

Samstag, 2. Juli 2011

Was Wissenschaft kann, muss und soll

Mögen sie nun Chatzimarkakis, Koch-Mehrin oder zu Guttenberg heißen. Was uns führende Politiker dieses Landes dieser Tage vorgeführt haben, ist ein Schmierentheater sondergleichen. Frau Dr. Angela Merkel (den Titel greifen wir mal nicht an) verkündete einst die Bildungsrepublik Deutschland. Die ProfessorInnenschaft war amüsiert; echauffieren tut man sich dort kaum noch, wenn die Ankündigungen und Umsetzungen der Politik in verschiedene Richtungen gehen. Was jedoch die Fälle von Plagiaten und vor allem den Umgang damit angeht, so ist Entrüstung angesagt.

Das Kontra zum Merkelschen Republikausruf ist ihr Umgang mit der Causa zu Guttenberg. Sie habe keine wissenschaftlichen Mitarbeiter, sondern einen Minister bestellt. Noch einen drauf legte später die Bildungsministerin Dr. Annette Schavan – allgemein bekannt für ihre Feindseligkeit gegenüber der Realität. Sie wies darauf hin, dass die Universitäten doch aufmerksamer sein sollten; dass nicht so viele Studierende promoviert werden sollten. Nun haben wir aber ein System in Deutschland, welches von Frau Schavan gefördert wird, welches den Universitäten Geld für Absolventen bringt. Je höher der Abschluss, desto höher die Summe. Die ökonomischen und die epistemologischen Interessen der Hochschulen im Lande müssen also gegeneinander abgewogen werden.

Es stellt sich die Frage, wie verwerflich es ist, Studierende zu promovieren, die keine wissenschaftliche Laufbahn anstreben. Sollte Frau Koch-Mehrin der Universität Heidelberg ein paar tausend Euro eingebracht haben, ebenso Herr Chatzimarkakis der Universität Bonn, so muss man sich fragen, ob ihren Doktorvätern wirklich ein Vorwurf zu machen ist und vor allem, wie in Zukunft in solchen Fällen diese Praxis zu beurteilen ist.

Die Haltung der rechtskonservativen Regierung zu diesem Thema ist schizophren. Frau Schavan sagte einst, wer nicht forschen wolle, der brauche auch keinen Master und versuchte damit den fehlgeschlagenen Bolognaprozess zu legitimieren. Schaut man jedoch in die Reihen der CDU/CSU Fraktionen, so findet man viele promovierte Mitglieder des Bundestages (MdB), auch wenn die Meisten davon Juristen sind.

Bei der Betrachtung dieser Aspekte sollte darauf geachtet werden, worauf sie wiederum rekurrieren. Vor allem in der bürgerlichen Konservativen gilt der wissenschaftliche Abschluss als Statussymbol. Weniger gefragt ist hingegen die wirklich kritische Reflektion und der Drang nach Wissen. Der Ausfall von Ersterem zeigt sich auch vor allem in dem Gebaren der Konservativen. So setzt man einen Vermittler und Verwalter von Schwarzgeld, Dr. (schon wieder einer) Wolfgang Schäuble, auch gerne einmal auf den Posten des Finanzministers. Warum Kinderschänder keine Kindergärtner werden dürfen, bleibt in diesem Kontext fragwürdig.

Für die Wissenschaft ist jedoch ihre Freiheit wichtig. Die Freiheit von ökonomischen und ideologischen Zwängen, die Freiheit von dem Zwang zur Verwertbarkeit. Was die Bundesrepublik braucht, ist ein festgeschriebener Satz an Investitionen in das Bildungssystem. Das betrifft nicht nur Hochschulen, sondern auch Fachhochschulen und weitere Schulen. Was Studierenden vermittelt werden muss ist der Spaß am Erwerb und an der Weitergabe von Wissen. Allein das Schulsystem würde deutlich besser funktionieren, wenn sich LehrerInnen als WissenschaftlerInnen verstünden, die den Drang nach Wissen an ihre Schülerschaft weiterleiten.

Solange dies jedoch nicht möglich ist, werden die aktuellen Praktiken in der Promotion und auch in der wissenschaftlichen Publikation weiterhin fortgesetzt werden. Dies ist niemandem dienlich, außer jenen, die sich wünschen, dass es nur eine kleine Elite gibt.

Achja, auch Studierende sollten sich generell überlegen, ob sie studieren, oder sich ausbilden lassen wollen.

Sonntag, 12. Juni 2011

(Groß)-Vater-Land

Als ich 23 Jahre alt war erfuhr ich, dass mein Großvater Mitglied der HJ war. Ich wusste bereits, dass er Mitglied der Wehrmacht gewesen war – nicht der SS, wie er immer betonte – Kriegsgefangener und leidender des Krieges. Es waren immer Geschichten, die Großeltern über die Zeit des Nationalsozialismus gerne erzählen. Die Apologetik des eigenen Leidens, der Minimalwiderstand als Heldentat und das eigene Unwissen als Maßstab der Bewertung des eigenen Tuns.

Mein Großvater hatte eine entsprechende Begründung für seine Mitgliedschaft in der Jugend des Führers. Es waren ja irgendwie alle Mitglieder und als der Mann von der NSDAP damals kam, da wollte doch niemand außen vor sein.

Die Rezeption der eigenen Geschichte ist für dieses Volk ein Prozess des Umdeutens, Neuinterpretierens und Erstellens von Anachronismen. Deutschland ist noch immer das Land der Dichter und Denker, aber nicht die Geburtswiege des Faschismus. Beides ist durch die historische Komponente der Ereignisse begründet – vollkommen konträr.

Die Antonyme des barbarischen Faschismus und des intellektuellen Werkes werden als Mittel zum Zweck der Erstellung einer Identität so gedeutet, wie sie gebraucht werden. Frei von jedem Maßstab der Verwendung.

Die 68er Bewegung, als erste Generation post bellum, deutete aus der nahen Vergangenheit den Auftrag zum Kampf gegen Unterdrückung – zumindest in den links-intellektuellen Zirkeln. Die konservative Jugend nutzte weiter die Seilschaften, welche auch den Faschismus überstanden hatten, welcher die alten Eliten und ihr empfundenes Recht auf Privilegien per natales nicht ausrotten konnte.

Die zweite Generation, die der Enkelkinder steht nun vor einem Problem, welchem sie sich nicht bewusst werden möchte. Die Auseinandersetzung mit der Generation der Großeltern, sofern die Auseinandersetzung der eigenen Eltern mit den Ihrigen unterlassen wurde, ist eine Pflichtübung der Selbstaufklärung und darf sich keinesfalls darin verlaufen, dass Äußerungen faschistoider Art als Schrulligkeiten abgetan oder aber damit entschuldigt werden, dass eine Person diesen Alters nicht mehr zu ändern sei.

Die Generation, die um 1980 geboren ist, hat bereits den ersten deutschen Krieg nach dem Ende des Faschismus erlebt. Der Kosovokrieg wurde damals Joseph Fischer damit begründet, dass ein zweites Auschwitz unbedingt verhindert werden müsse. Fischer bediente sich damit auf oberster Staatsebene einer Dialektik des Antifaschismus, welche in verschiedenen Zirkel der linken Intelligenzija bereits seit dem Ende des Faschismus für massive Probleme sorgte. Seit Fischer jedoch die Potsdamer Verträge und vor allem das Diktum, dass nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen dürfe, ausgehebelt hat, befindet sich Deutschland an der Seite der Erbfeinde, Kriegsgegner und Befreier (Nicht zwei, gar drei Herzen schlagen da, ach, in so manchen Staates Brust) auf dem Weg des radikalen Kapitalismus.

Der Faschismus jedoch ist nur eine Spielart des Kapitalismus und gerade das sollte Deutschland gelernt haben. Und so ist es auch verständlich, dass die Reaktion auf die, wohl zu ehrlichen Worte, des Bundespräsidenten a.D., Dr. Horst Köhler, ausfielen, wie sie eben ausfielen. Dass man Wirtschaftskriege führe, dass die wirtschaftlichen Interessen und der Wohlstand dieses Staates nicht ohne Kriege gewährleistet sein kann, das ist etwas, was dem Volk nicht mitzuteilen ist, während die politischen und wirtschaftlichen Eliten dieses Staates, und auch die der supranationalen Vereinigungen, diese Notwendigkeit bereits so verinnerlicht haben, dass sie nicht einmal mehr die Oppositionen zwischen ihrem Handeln und Reden bemerken. So ist sich Horst Köhler bis heute nicht bewusst, dass er eine, für ihn basale, geradezu banale, Wahrheit aussprach, die doch plötzlich so anders klang.

Allein dies lässt berechtigte Ängste vor der zukünftigen (und aktuellen) Wirtschaftspolitik der BRD aufkommen. Schlimmer jedoch, so erscheint es mir, sind die Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamphobie. Die beiden Xenophobien gestalten sich strukturgleich und werden zum gleichen Zweck missbraucht, gleichzeitig klein gehalten und subversiv in den nationalen Diskurs eingeführt, bis sie als Meinung en vogue werden.

Die Gefahr, welcher wir als Gesellschaft ausgesetzt sind, ist die Gleiche, wie sie es vor den beiden großen Kriegen war. Machtstrukturen in einer Legitimationskrise, die Wirtschaft in der Abwärtsbewegung und ein gut strukturiertes Feindbild, welches nationalistische Ressentiments zu bedienen weiß.

Margot Käßmann, eine Protestantin, führte auf dem letzten Kirchentag in Berlin eine kleine, katharsische Liturgie durch, welche sich auf einen Umstand bezog, der z.B. auch durch Dr. Angela Merkel, eine weitere Protestantin, herbeigeführt wurde. Dass Deutschland Waffen an Diktatoren, Despoten und andere Verbrecher liefert ist ein gern ignoriertes Faktum der deutschen Politik, was von vier bürgerlichen Parteien des Bundestages, und zu Teilen auch von der Linken, ohne Widerspruch akzeptiert wird.

Die Aufgabe der aktuellen Jugend wäre es dementsprechend die Strukturen der Macht, die mittelbare und unmittelbare Vernetzung von Krieg und Wirtschaft, die Offenlegung des Barbarischen im Kapitalismus als inhärente Notwendigkeit, die vererbbaren Privilegien der Eliten und die Spaltungen zwischen Macht und Wissen, zwischen Aktion und Reflektion, herauszuarbeiten, zu behandeln, zu diskutieren und an einer Lösung zu arbeiten.

Stéphan Hessel schrieb ein kleines, lesenswertes Büchlein mit dem Titel Indignez vous!, sein neues, bald erscheinendes Werk heißt Engagez vous! und darauf sollte man gespannt sein.

Achja, was uns die Griechenland-Krise gezeigt hat, ist unter anderem, dass nationalistische Ressentiments seitens des Boulevard gerne zur Lösung wirtschaftlicher Probleme mobilisiert werden. Während der Springerverlag gerne die Dichotomie des arbeitenden Deutschen und des faulen Griechen beschwor, spricht der griechische Boulevard nun gerne vom aufopfernden Griechen, der den Deutschen erst reich gemacht hat. So können Probleme natürlich auch umgangen werden...

Freitag, 22. April 2011

Prolog

Der Text vom gestrigen "Sprechreiz"-Slam.

„Hey!“
Schneller werdende Schritte, das Atmen wird schwerer.
„Hey verdammt!!!“
Ein dumpfer Schlag, ein Krachen, eher weniger angenehm, noch ein leises „doing“ und ein ganz unangenehmes Knacken – Kiefer meets Straßenlaterne. Ich ziehe die Vorhänge zu und überlege vielleicht doch umzuziehen.
Aber sei’s drum, man lebt bekanntlich nur einmal und warum sich dann in falscher Sicherheit wiegen, wenn man doch in der Kneipe um die Ecke alle Bedürfnisse befriedigen kann. Ich schmunzele, eher aus Verachtung über die Nichtigkeit meines Humors denn aus Amüsement und setze mich wieder vor den grell scheinenden Monitor meines Notebooks. Zeit für das Klischee und die Gewohnheit: Kippe an – am Whiskey genippt – leichtes schmatzen – Kopf seufzend in den Nacken – ein langer Ausstoß der Rauchwolke – Zigarette in den Aschenbecher – verwirrtes Starren auf den Monitor.

Mein Name ist Peter Thomassen und ich bin bereits tot!

Welch Drama, nein, da fehlt was.

Mein Name ist Peter Thomassen und ich bin bereits tot, aber seien sie sicher sie wollten es auch.

Ne, ne ... so nicht

Mein Name ist Peter Thomassen, ich bin tot und ihre verhurte Tochter ist daran Schuld.

Ach, so etwas liest niemand

Ich bin die Biene Maja und fett

Weicht zu weit ab.

Ich bin Peter Thomassen und bereits tot. Wäre ich dies nicht, so wäre ich spätestens am Ende dieser Seite für Sie gestorben.

Welch Wortwitz, welch Humor, welch Ausdruck von, ja, von, nun, ich denke von Einfallslosigkeit und Verzweiflung. Aber mit dem richtigen Sammlungstitel passt das schon.

Hallo, ich bin Peter Thomassen und bereits tot. Wäre ich nicht tot, so wäre ich spätestens am Ende dieser Seite für Sie gestorben, zumindest sofern Sie, wie empfohlen, die Einleitung am Ende lesen. Denn Sie wissen nun, auch sie sind ein Schwein. Guten Tag!

Kopf in den Nacken – Langer Ausstoß des Rauches – Zigarette ausdrücken – Laptop zuklappen – Cut!

Mittwoch, 23. März 2011

Guck Mal, Katastrophe!

In Libyen sitzt seit kurzem ein Despot an der Macht und Japan wurde erstmals durch ein Erdbeben erschüttert - die Welt ist geschockt.

Dieses Szenario würde durchaus Sinn machen, bedauerlich jedoch, dass Muammar Abu Minyar al-Gaddafi bereits seit 1979 die Geschicke des Staates steuert und Japan erlebt täglich kleinere Beben. Im Jahr 1923 forderte ein Erdbeben der Stärke 7.9 sogar mehr als 140.000 Todesopfer. Warum also plötzlich dieser Schlingerkurs?

Betrachten wir zuerst Japan:
Japan liegt bekanntlich auf dem pazifischen Feuerring, ist von Erdbeben und Vulkanausbrüchen bedroht und muss sich durchaus auch mit den Folgen von Seebeben auseinandersetzen. Japan ist aber vor allem auch ein kleines Land, welches seinen technologischen und wirtschaftlichen Aufstieg auch mit einer entsprechenden Infrastruktur, vor allem im Energiesektor, unterfüttern musste. Das Kraftwerk in Fukushima war für eine Magnitude bis 8,3 gesichert, die Dieselaggregate für eine Flutwelle bis zu 5 Metern Höhe. Woher diese Vorgaben kommen, ist nicht bekannt.
Atomkraftwerke in Japan zu bauen ist eine simple Konsequenz aus der Gewinnmaximierungslogik einer kapitalistischen Gesellschaft, welche die Vernunft weit hinter Fragen der Ökonomie einordnet.
Anders ist auch die deutsche Reaktion nicht zu verstehen. Deutsche Atomkraftwerke sind nicht weniger sicher, als sie es vor dem 11. März waren; aber eben auch nicht weniger unsicher. Die japanische Katastrophe zeigte lediglich, dass ein Restrisiko - so klein es auch sein mag - irgendwann immer Eintritt. Die deutsche Panikreaktion ist durch zwei Faktoren zu erklären: Erstens steht vor allem Stefan Mappus vor einer schweren Landtagswahl. Der baden-württembergische Ministerpräsident bat die Kanzlerin einst, den Umweltminister zurückzupfeifen. Nun muss sich die CDU einer plötzlichen Anti-Atomhaltung stellen. Zweitens überholt die CDU damit in einem populistischen Kampf die Grünen auf den progressiven Weg. Wie es nach den Landtagswahlen weitergeht hängt stark davon ab, wie sich die Stimmung in der Bevölkerung wandelt; so zynisch es klingen mag, aber ein GAU wäre ein Gesundheitsschock für die internationale Energiepolitik.

Auch der Fall Libyen ist ein blanker Akt des Populismus. In Opposition, wie auch Regierung. Seitens der Regierung möchte man sich keinen weiteren Krieg gönnen, seitens der Opposition keinen Diktator im Amt lassen. Dass die SPD nun rein will, nach Libyen, nachdem sie doch raus will, aus Afghanistan, ist einfach unverständlich.
Auch die Abfolge der Maßnahmen gegen Libyen ist amüsant. Nachdem Franzosen und Briten bereits Luftangriffe fliegen hat man sich nun für ein Waffenembargo entschieden. De facto sehen sich die Rebellen - deren Ziele absolut undurchsichtig sind - einem bunten Strauß internationaler Waffenfabrikate gegenüber.
Der Zynismus der Staatengemeinschaft erinnert dabei an das alte Krupp-Motto: Liefere ich an Freund und Feind, bringt jede Leiche Geld.
Dass es in Libyen darum ginge, Grundsätze wie Freiheit oder Demokratie durchzusetzen, ist eine dumpfe Phantasterei. Es handelt sich eher um den puren Narzissmus der kriegsführenden Parteien.

Achja, gehts von Libyen aus direkt nach Syrien oder Bahrein?

Donnerstag, 10. Februar 2011

Gedanken an Morgen

Dies ist der Text, welchen ich heute auf dem "Sprechreiz"-Slam gelesen habe.

Und während du dort stehst, versuche ich Stand zu fassen. Klammere mich an die Zigarette, als wäre sie der höchste Mast des sinkenden Schiffes und die Hoffnung bestünde darin, dass der Mast so hoch ist und dieses Schiff so langsam sinkt, dass ich empor klettern könnte um dort zu verharren, bis eine rettende Hand mich in ein wackeliges Boot zieht, welches dann meine Rettung darstellt.

Doch die Zeit, diese scheiß Nussschale, sinkt so schnell, dass man kaum begriffen hat, dass sie angekratzt wurde und der rettende Mast verglüht, bevor man sich an die Kälte des Wassers gewöhnen konnte, welches die Glut erstickt.

Und nun muss ich reden, muss etwas sagen, denn wir sind hier wegen mir, nun eigentlich wegen dir, oder eben dir und mir, das wiederum ist eben kein wir, und dennoch sind wir hier und ich muss nun reden, darf meine Fragen stellen, auf die ich keine Antworten bekomme und feststellen, dass die Illusion der Rettung nur die Halluzination des Ertrinkenden ist; und während mir all dies klar wird starre ich auf den Boden, zu deinen Füßen, vor die ich mich werfen würde, wüsste ich nicht, dass es vergebens ist, denn wir sind hier wegen mir, wegen dir und mir, irgendwie auch wegen dir, aber eigentlich, weil wir nicht wir sind, sondern du und ich, was ich immer wusste, du immer verneintest, ich immer betonte, du immer zu negieren versuchtest - am Ende zementiertest.

Doch die Vergangenheit ist ein vergessener Traum und ein vergebenes Ideal, an das man zurückdenken kann, wenn man die Waffe gegen sich selbst richtet, die aber die Kugel nicht daran hindert die Lähmung zu schaffen, wenn sie das Hirn zerfetzt.

Und nun rede ich, rede ohne etwas zu sagen, denn wir sind hier wegen mir, nun eigentlich wegen dir, oder eben dir und mir, das wiederum ist eben kein wir und dennoch sind wir hier und ich begreife, dass es ein Fehler war, Fragen stellen zu wollen, auf die man keine Antwort bekommt, weil das Gefühl, dieser elende Bastard, das bekommt, was die Bestie verdient, wenn sie sich aus ihrem Versteck traut und dem Licht des Tages entgegen tritt; gelockt von Sirenengesang und entgegen seinem Willen und die Sonne ist nicht das wärmende Licht, sondern die verglühende Allmacht.

Doch die Metapher ist nur eine Pointe des Gedankens, welche die Träne nicht davon abhält, wenn sie sich den Weg entlang der Wange wagt und und hindert auch die Lippen nicht daran verzerrt zu wirken, wenn der Stolz gebrochen ist.

Und während du dort stehst klammere ich mich an die Flasche, wie an den rettenden Mast des sinkenden Schiffes und spüre doch, dass sie das Meer befüllt, dass mich zu verschlucken droht. Doch versänke ich nicht in diesem Meer, welches ich selbst befülle, ich fiele in den Abgrund, den du grubst. Und dem freien Fall ist doch die Agonie vorzuziehen, imaginiert man sich bloß einen Mast, an den man sich klammern kann.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Vorsicht, Ideologie!

Der SPIEGEL hat sich erneut eine kleine Meisterleistung erlaubt, indem er auf seiner Onlineplattform einen Artikel zu einem Text herausgebracht hatte, welchen Gesine Lötzsch in der Jungen Welt publizierte. Autor Stefan Berg scheint sich bei seinem Unterfangen vor allem eines gedacht zu haben: Bloß nicht recherchieren! So machte er sich nicht einmal die Mühe, über den ersten Absatz des Artikels hinweg zu lesen. Nicht einmal die letzten Zeilen las er, denn dort heißt es: „Es sind viele Bausteine, mit denen wir darum kämpfen, in der heutigen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft über sie hinaus zu wirken, die Profitdominanz über Wirtschaft und Gesellschaft zu überwinden, die Ansätze einer neuen Gesellschaft »hineinzupressen« in die alte, bis sich beweist, daß dem demokratischen Sozialismus die Zukunft gehört.“ Kommunismus? Fehlanzeige!

Der benannte Artikel bezieht sich auf den Rosa Luxemburg Kongress und so tut es auch Frau Lötzsch. Luxemburg, im Gegensatz zu Stalin, befürwortete Beteiligungen an den Wahlen zur Nationalversammlungen und, auch das hebt Lötzsch hervor, konnte sich nie mit dem Parteikommunismus der UdSSR anfreunden.

Die Reaktionen der politischen Rechten auf diesen Artikel verliefen wie zu erwarten. Ideologieschelte und die Jetzt-ists-raus Mentalität. Doch was ist raus? Frau Lötzsch gibt in ihrem Text ein blühendes Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Denn es steht eben nicht in §1 „Das Recht einer Minorität auf Profitmaximierung und Akkumulation von Kapital ist unantastbar“, sonder „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Bedauerlicher Weise verfahren die etablierten Parteien, vor allem die CDU, eher nach ersterem Prinzip.

Der zweite amüsante Punkt ist der Begriff der Ideologie. Gerne wird er von Konservativen genutzt, doch was ist eine Ideologie? Laut Marx ist eine Ideologie ein „Gebäude, das zur Verschleierung und damit zur Rechtfertigung der eigentlichen Machtverhältnisse dient“. Aha? Castro, befragt ob er inzwischen an Gott glaube, sagte, er sei noch immer dialektischer Materialist. Beides, Dialektik, wie auch Materialismus, widersprechen dem Ideologiebegriff. Eher ist er anwendbar auf Religion oder eben die pseudo-demokratrische Politik der rechten und wirtschaftsnahen Parteien.

Was Frau Lötzsch fordert ist Aufklärung und Partizipation – doch das will die Rechte nicht. Und weil ihr das so gut gelungen ist schreit der Parteisoldat brav mit – ohne zu wissen was eigentlich.

Achja, Dominik Sekulak schrie wieder laut mit. Mein liebes Kind, nur weil was drauf steht, ist es noch lange nicht drin.

Links:
http://www.jungewelt.de/2011/01-03/001.php?sstr=l%F6tzsch
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,737780,00.html