Da es bereits in Kommentaren Anklang möchte ich mich an dieser Stelle auch noch einmal "auf großer Bühne", also in einem Blogeintrag selbst mit dem Thema der Aktionsform, der Gewalt und Zugehörigem näher auseinandersetzen.
Wer die Entwicklung des Bildungsstreiks beobachtet hat dürfte sich durch die Informationspolitik beleidigt fühlen. Aus der einstiegen Schüleriniative wurde der bundesweit bekannte Leitspruch einer studentischen Bewegung, welche sich schließlich auch International verbreitete und schlussendlich in Deutschland zu einer sozialen Bewegung wurde.`In der medialen Präsenz ist diese jedoch immernoch in der Kategorie "Studentenprotest" archiviert. Ein fataler Fehlschluss.
Als gestern in Bonn mehr als 10.000 (und nicht wie von den Medien behauptet 4500) Demonstranten auf die Straße gingen fanden sich dort nicht nur SchülerInnen und StudentInnen, sondern auch Gewerkschaftler, Auszubildende, Erwerbslose, junge Eltern und Sympathisanten aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen. Während eine schwarz-gelbe Regierung also in Berlin fleißig eine Klientelpolitik zu Gunsten einer Finanzelite betreibt regt sich in der Gesellschaft Widerstand - und das nicht zu wenig.
Wenn der Vergleich mit der Bewegung aus dem Jahr 1968 fällt, so wird bedauernswerter Weise immernoch die mangelnde Auseinandersetzung mit Gesamtgesellschaftlichen Themen vermisst, doch die Tendenz geht zur Systemfrage. Während der Besetzungen der "Uni brennt!"-Aktion wurde immer deutlicher: Das Problem der sozialen Selektion im Mikrosystem Bildungsektor ist ein Abbild des Problems im Makrosystem Gesellschaft. Hier darf man also ruhig den Regeln der Deduktion folgen.
So war es auch erfreulich, dass neben Vertretern aus Studierenden- und Schülerkreisen Gewerkschaftler von Ver.di und GEW, wie Vertreter von Erwerbslosenbündnissen sprachen. Die Verbindung besteht und die Bande der Solidarität sind zu einem festen gemeinsamen Aktionspaket gezurrt worden. Ein jeder kann sich darauf verlassen bei den nächsten Protestaktionen auf Mitglieder der anderen Gruppen zählen zu können. Frei nach dem Ver.di Motto "Soziale Unruhen - Yes we can!".
Dies bringt uns nun auch schlussendlich zur Gewaltfrage. Die Reaktionen der Polizei in diesem Winter - nicht zuletzt auch in Bonn - haben gezeigt, dass man dem aufkeimenden Protest mit grober Gewalt gegenüber steht. In Stuttgart ritten Beamte zu Pferde in die Menge - es kam zu mehreren Knochenbrüchen. In Frankfurt prügelten Beamte auf Besetzer ein - auch hier kam es zu diversen Krankenhausaufenthalten. Auch in Bonn zeigte die Polizei ihre Taktik klar: Zurückhaltung in Anwesenheit der Medien, starke Repression in Nebenstraßen. Im Besten Stile der SA gingen somit gestern Polizeieinheiten mit Knüppeln, Fäusten und unter dem massiven Einsatz von Pfefferspray auf friedliche Demonstranten los. Dies nicht zum ersten Mal, wie oben bereits erwähnt.
Hier stellt sich nun natürlich die Frage der Reaktion. Friede bewahren, Prügel einstecken und minimales Entgegenkommen abwarten oder den Frieden brechen, Prügel einstecken (wenn wahrscheinlich auch etwas weniger) und abwarten, was passiert. Das immer mehr AktivistInnen bereit sind mit gleicher Härte auf die staatliche Repression zu reagieren, zeigt sich bereits an einigen Demoplakaten, "Noch ist Athen in Griechenland" spricht eine eindeutige Botschaft. Auch die noch sehr lebendige Erinnerung an Prügelkommandos in Heiligendamm, das Vorgehen der Londoner Polizei beim Finanzgipfel (Al Djazira war live dabei) oder die aktuelle Situation in Kopenhagen werfen die Frage nach dem richtigen Verhalten immer wieder auf.
Die Lethargie, die naheliegende Vermutung Wiglaf Drostes, dass es sich die Deutschen in der Demokratie so gemütlich gemacht hätten, wie in einer Diktatur, stellt dabei einen schwer zu berechnenden Faktor dar. Werden sich die Deutschen mit einer sozialen Schieflage, welche immer weiter zunimmt, so abgeben, wie mit dem immer stärker aufkeimendem Rassismus in diesem Land und jeden diffamieren, der sich dagegen wehrt oder werden sie die Zeichen verstehen, die eine Radikalisierung aussendet. Im Großen und Ganzen gilt es also die Reaktion der "stummen Masse" abzuwägen. Solange die Massenmedien jedoch Polizeibrutalität und Repression ausblenden kann eine Eskalation nicht vermittelt werden. Andererseits stellt sich auch die Frage wie lange es vertretbar sich stumm bei dem Einsatz für Demokratie und gegen Selektion verprügeln zu lassen.
Achja, von der Straße ist das Thema aber damit noch lange nicht.
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