Mittwoch, 29. September 2010

Hartz IV, Sarkozy und das Privatfernsehen

Was hat denn das Eine mit dem Anderen zu tun? Augenscheinlich wenig, doch hier entstehen Zusammenhänge auf einer Ebene, auf welcher wir sie lieber nicht sähen.

Beginnen wir mit der Debatte über Hartz IV. Wie die taz heute feststellte, ist der heiße Herbst bisher ausgeblieben und das wird sicher so bleiben. Die FAZ legte einen Artikel zur vollständigen Berechnung des Finanzaufwandes für einen Empfänger des ALG II vor. So erhalten Singles 645€ im Monat (inkl. Miete, Heizung und weiteren Nebenkosten) zzgl. 156€ Beitrag für die Sozialversicherung. Dieser Artikel sekundiert hervorragend zu den tendenziösen Statements der Ministerin für Arbeit und (Anti-)Soziales. Diese stellte fest - in bester FDP Manier - zu Arbeiten müsse sich lohnen. Jedoch geht Frau von der Leyen deutlich weiter. Ihre Aussagen lassen immer mitklingen, Arbeitslose seien doch eh faul und wollten doch gar nicht zurück auf den Arbeitsmarkt, der Zynismus jedoch nimmt kein Ende, so fuhr sie fort, dass „rein nach der statistischen Berechnung [...] die Kinderregelsätze sinken [müssten]“. Die Berechnungsgrundlage für die Sätze des ALG II ist bekannt. Es sind die unteren 20% der Einkommen in Deutschland. Dass Diesen nicht einmal mehr genug Geld für ihr Feierabendbier bleiben soll ist die eine Sache, die Berechnungsgrundlage eine andere.

Patrick Lindner - intellektueller Politsprössling in der falschen Partei - wird nicht müde den Ausbau des Niedriglohnsektors zu preisen. Dies beinhaltet zum einen natürlich Jobs, welche durch staatliche Mittel bezuschusst werden und somit aus der Statistik fallen, aber eben auch Einkommen am unteren Rand des Existenzminimums, welche wieder hinein fielen. Die Tendenz ist klar: Umso mehr BezieherInnen von geringen Einkommen, umso kleiner der Hartz IV Satz; eine Spirale nach unten. Hier findet sukzessive die Ausgrenzung einer "unproduktiven" Gesellschaftsschicht statt. Noch vor wenigen Jahrzehnten wäre von unwertem Leben die Rede gewesen.

Eine Differenzierung zwischen guten und schlechten Menschen trifft auch Nicolas Sarkozy. Eines steht fest, die Roma sind schlechte Menschen. Integrationsunwillig und kriminell. Klein Nicolas weiß, was in vielen Ländern Osteuropas seit langem eine breite Mehrheit in der Bevölkerung findet: Sie müssen weg! Frankreich hat dort historisch gewisse Vorteile; es kann die Roma einfach ausweisen. Ländern wie Bulgarien z.B. müssen sich immer um aufwendige Genozide bemühen.
Die Taktik Sarkozys ist klar. Er ist weder Rassist noch Faschist, doch wenn es kein politisches Vorankommen gibt und die Hälfte der MinisterInnen in Affären verstrickt ist gibt es nur einen Weg nach vorne: Das "Wir-Gefühl". Natürlich ist es schwer "Alle" in ein "Wir-Gefühl" einzubinden. Entsprechend wird der leichteste Weg gegangen, um Störungen zu verhindern: Alles, was nicht dazu gehört, ist eben der Feind. Ob Burkaverbot, oder die neuen Regeln für in Frankreich geborene Kinder mit Migrationshintergrund, Nicolas Sarkozy fährt die nationalistische Tour und ist damit in einem Europa, in welchem Belgien, Schweden und die Niederlande grade radikal nach rechts gerückt sind, in bester Gesellschaft. Dies ist das zweite Ausgrenzungsphänomen.

Beinahe vermute ich, die 23te Zeile zu schreiben, da ich nun zum Privatfernsehen komme. Spiegel TV zeigte kürzlich den Filmbeitrag "Unter Linken", in welchem Spiegelautor und Strahlemann-Journalist Fleischhauer mal so richtig mit seiner Familie abrechnen durfte. Von unsinnigen Debatten über ein Denkmal für ermordete Lesben im Nationalsozialismus (nachweislich wurde keine Frau wegen ihrer sexuellen Ausrichtung deportiert), über die Frage nach einem McDonalds bis hin zur Darstellung des Intendanten Claus Peymann als raffgierigen und bigotten Selbstdarsteller. Fleischhauer ist vor allem in dieser Szene indifferent. Gagen für Interviews werden oftmals vereinbart, um Absagen oder Ähnliches zu verhindern. Wie oft Peymann diese Gage wirklich bezahlt bekommt, wäre interessant.
Des Weiteren ist der Journalist permanent ungenau und oberflächlich. Das jedoch interessiert nicht. Das Video, welches in vier Teilen auf dem Internetportal YouTube zu sehen ist, erfreut sich einer gewissen Beliebtheit und die Kommentare reichen von Genugtuung: "köstlich... endlich entlarvt Jemand die Linken Hohlköpfe" (anonymusxy), bis hin zum offenen Aufruf zum Mord: "Stellt sie an die wand das Linke pack oder steckt sie in busse die kolonnen weise ins meer fahren !"(StankRush)[Die Zitate sind orthographisch und grammatikalisch nicht verändert, da dies gegen die Grundlagen der wissenschaftlichen Zitation verstieße - Anm. d. A.].

Und die Moral von der G'schicht? Was sich hier auftut ist eine Tendenz eines Lagers, welches sich gerne als "bürgerlich" bezeichnet, in Richtung faschistoider Hegemonie und bigotter Moraldogmatik.

Achja, statistisch sind übrigens in den ersten Jahren der BRD mehr Homosexuelle belangt worden, als in den Jahren des NS-Regimes. Aber was soll mensch erwarten, die Kader waren ja groß teils gleich.