Montag, 21. Dezember 2009

Kopenhagen in der Retrospektive

Das war er also, der große, wegweisende Klimagipfel in Kopenhagen und entgegen aller Unkenrufe muss man sagen: Wegweisend war er durchaus. Nur sicherlich nicht auf jene Art und Weise, welche den TeilnehmerInnen dieses Gipfels genehm sein kann.

Um diesen Gipfel als internationales und demokratisches Ereignis richtig einzuordnen gilt es auch Dinge zu beachten, welche außerhalb der eigentlichen Problematik des Klimawandels stehen. Zum Beispiel den dänischen Umgang mit dem Versammlungsrecht. Dieses wurde, medial leider zu wenig kommunziert, für die Zeit der Tagung im Bella Center radikal beschnitten. Klassische Akte des zivilen Ungehorsams, wie zum Beispiel eine Sitzblockade, konnten während des Klimagipfels mit 40 Tagen Haft bestraft werden - auch für Ersttäter.

Ebenso interessant ist die Frage nach "gewaltbereiten Demonstranten", welche, auch ohne Vorstrafe, auf Hinweis der deutschen Polizei die Einreise verwehrt bekommen konnten. Wo hier noch demokratische Grundsätze beachtet wurden ist fraglich. Die Bilder aus Kopenhagen selbst, mit Massenverhaftungen bei nächtlicher Eiseskälte - wobei die Festgesetzten gezwungen waren auf den kalten Straßen, sitzend, zu warten - ließen ein unangenehmes Bild totalitärer Systeme aufkommen. Hier sprachen die Bilder wahrlich Bände.

Und nun zum Gipfel selbst. Das Ergebnis ist gleich Null. Das die Versammlung ein Papier zur Kentniss genommen hat, und dies nicht einmal zustimmend, bezeigt den großen Unwillen der der Akteure. Allen voran, in guter alter Tradition, China und die USA. Inwiefern Reperationszahlungen für Klimaverbrechen nun berechtigt sind, sei nun einmal dahin gestellt. Das man jedoch wirtschaftliche Interessen vor das Überleben ganzer Inselstaaten stellt ist bittertiefer Zynismus. Alleinig der BDI, in der Wahlnacht bereits negativ aufgefallen, überbot dies noch mit der Aussage, wirtschaftliche Interessen seien zu wenig berücksichtigt worden.

Die Presse nach diesem Gipfel und das Verhalten während dieses Gipfels treibt meine persönliche Wut tief in den Populismus. So langsam, und dies ist, bei aller Oberflächlichkeit, mein Ernst, sollte man die Verantwortlichen einfach mal ein wenig mehr sensibilisieren. Und da geht es nicht um den Anblick kalbender Gletscher, sondern um einen Vorgeschmack Dessen, was kommen wird. Einen Monat Hungern im kniehohen Wasser wäre sicherlich der richtige Motivator für Obama, Sarkozy, Jiabao und Co.!

Zum Abschluss meiner Hasstirade jedoch auch ein kleiner konstruktiver Anteil. Es gibt eine Internetpetition, welche die Freilassung des deutschen Politologen Tadzio Müller und anderer Aktivsten fordert. Über 5300 Unterschriften gingen bisher ein. Man kann nur hoffen, dass es mehr werden: http://www.petitiononline.com/Tadzio/
Achja, frohe Weihnachten.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Wölfe im Winterschlaf

Und passend zu dem Schneechaos vor der Tür ein wenig winterliche Poesie. Ebenfalls für die zweite Sammlung "Agonie & Ecstasy" ist die folgende Geschichte gedacht. Ein Schelm wer da an Hesse denkt.

Ich beobachte deinen Schlaf. Du liegst dort, wirkst wie tot...so friedlich und unbeweglich. Gern würde ich dich berühren, ein Haar zur Seite streichen, eine Kontur deines Gesichts nachahmen, aber ich möchte dich nicht wecken und du würdest erwachen berührte ich dich, denn so sind wir Wölfe. Wir sind einsame Jäger in einer kalten Umgebung und wissen: Jede Veränderung der Umgebung bedeutet Gefahr. Meine Berührung zeigt dir Gefahr an und wir sind uns gegenseitig gefährlich, wir Wölfe.

Ich mag es dich lächeln zu sehen, doch niemals lächelst du im Schlaf, niemals scheinst du einfach glücklich, immer signalisierst du Abwehr und so sind wir Wölfe, stets sind wir bereit aufzuspringen, das Fell zu sträuben, zu knurren, zu beissen, zu töten – unser Leben zu verteidigen.

Wir Wölfe sind Einzelgänger. Unsere Umgebung bietet nicht genug Nahrung um in Rudeln durch die Steppe zu streifen. Es wäre unser Untergang, blieben wir nicht einsam. Nur wenn es ganz kalt ist, dann finden wir uns zusammen und geben uns die Wärme, welche nicht einmal ein dickes Fell geben kann. Für eine Nacht, eine Woche, manchmal einen Winter. Dann jagen wir gemeinsan die noch karger werdende Nahrung und teilen in tiefer Verbundenheit das geringe Mahl. Dann sind wir plötzlich ach so soziale Geschöpfe und könnten ohne einander nicht auskommen, nicht in dieser Nacht, nicht in dieser Woche, nicht in diesem Winter.

Doch wir sind scheu geworden. Oftmals kämpfen wir alleine gegen den Sturm. Zu viele Schafe haben sich unserer verstorbenen Genossen bedient und sich in Wolfspelze gekleidet, bereit, an unserer Seite zu liegen, bereit ihresgleichen zu fressen, nur um sich wölfisch zu fühlen. Zu viele Schafe haben erlebt wie schwach wir sind – bis wir sie töteten. Wölfe kennen keine Gnade. Immer wieder blitzt auch an dir weiße Wolle auf, wenn das Fell dünn zu werden scheint. Doch wenn ich genauer nachsehe, so ist alles grau. Graues Fell über einem robusten Körper, welcher gemacht ist, alles zu überstehen – auch die Einsamkeit.

So liegen wir bei einander, teilen uns die Wärme unserer Körper, teilen uns die Stärke unserer Körper und fürchten doch immer neben einem Schaf zu liegen, welches sich als Wolf verkleidet hat, um nicht zerissen zu werden, doch zerissen wird, aber uns dabei zerreisst. So sind wir Wölfe, wir sind so misstrauisch gegen uns, dass es schmerzt.

Und jetzt liegst du neben mir und ich sehe wieder Wolle blitzen, täusche mich wieder, wahrscheinlich um mich täuschen zu wollen, denn ich will dich zerreissen, auch wenn es mich zerreißt!

Und so sind wir Wölfe. Wir trennen uns und sehen uns nie wieder, bis wir einen vertrauten Kadaver am Rande jener Pfade finden, die nur wir kennen, um dort zu verweilen und sich der Zeit zu erinnern. Dieser Nacht, dieser Woche, dieses Winters und wissen dann endlich, dass wir neben einem Wolf lagen, nicht neben einem Schaf.

Und du meine Wölfin? Verdeckst du deine Wolle nur gut oder werde ich eines Tages jene einsamen Pfade wandern, die nur wir kennen und deinen Kadaver am Rande liegen sehen? Werde ich mit der Nase im Blut deiner erkalteten Eingeweide wühlen und hoffen mich zu irren, nicht dich zu riechen, sondern nur deine Spur, weil du auch auf jeden Pfaden wandertest? Werde ich an deinem Fell zupfen, wenn alles gewiss ist und hoffen, dass sich doch Wolle unter dem grauen, harten Fell findet? Durchdringliche Wärme unter der kalten Wolfshaut? Werde ich vergehen oder wachsen an dem Wissen, dass du eine Wölfin warst? Meine Wölfin! Meine Wölfin, wenn auch nur für diese eine Nacht, diese eine Woche, diesen einen Winter.

Freitag, 11. Dezember 2009

Erzwungene Eskalation

Da es bereits in Kommentaren Anklang möchte ich mich an dieser Stelle auch noch einmal "auf großer Bühne", also in einem Blogeintrag selbst mit dem Thema der Aktionsform, der Gewalt und Zugehörigem näher auseinandersetzen.

Wer die Entwicklung des Bildungsstreiks beobachtet hat dürfte sich durch die Informationspolitik beleidigt fühlen. Aus der einstiegen Schüleriniative wurde der bundesweit bekannte Leitspruch einer studentischen Bewegung, welche sich schließlich auch International verbreitete und schlussendlich in Deutschland zu einer sozialen Bewegung wurde.`In der medialen Präsenz ist diese jedoch immernoch in der Kategorie "Studentenprotest" archiviert. Ein fataler Fehlschluss.

Als gestern in Bonn mehr als 10.000 (und nicht wie von den Medien behauptet 4500) Demonstranten auf die Straße gingen fanden sich dort nicht nur SchülerInnen und StudentInnen, sondern auch Gewerkschaftler, Auszubildende, Erwerbslose, junge Eltern und Sympathisanten aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen. Während eine schwarz-gelbe Regierung also in Berlin fleißig eine Klientelpolitik zu Gunsten einer Finanzelite betreibt regt sich in der Gesellschaft Widerstand - und das nicht zu wenig.

Wenn der Vergleich mit der Bewegung aus dem Jahr 1968 fällt, so wird bedauernswerter Weise immernoch die mangelnde Auseinandersetzung mit Gesamtgesellschaftlichen Themen vermisst, doch die Tendenz geht zur Systemfrage. Während der Besetzungen der "Uni brennt!"-Aktion wurde immer deutlicher: Das Problem der sozialen Selektion im Mikrosystem Bildungsektor ist ein Abbild des Problems im Makrosystem Gesellschaft. Hier darf man also ruhig den Regeln der Deduktion folgen.

So war es auch erfreulich, dass neben Vertretern aus Studierenden- und Schülerkreisen Gewerkschaftler von Ver.di und GEW, wie Vertreter von Erwerbslosenbündnissen sprachen. Die Verbindung besteht und die Bande der Solidarität sind zu einem festen gemeinsamen Aktionspaket gezurrt worden. Ein jeder kann sich darauf verlassen bei den nächsten Protestaktionen auf Mitglieder der anderen Gruppen zählen zu können. Frei nach dem Ver.di Motto "Soziale Unruhen - Yes we can!".

Dies bringt uns nun auch schlussendlich zur Gewaltfrage. Die Reaktionen der Polizei in diesem Winter - nicht zuletzt auch in Bonn - haben gezeigt, dass man dem aufkeimenden Protest mit grober Gewalt gegenüber steht. In Stuttgart ritten Beamte zu Pferde in die Menge - es kam zu mehreren Knochenbrüchen. In Frankfurt prügelten Beamte auf Besetzer ein - auch hier kam es zu diversen Krankenhausaufenthalten. Auch in Bonn zeigte die Polizei ihre Taktik klar: Zurückhaltung in Anwesenheit der Medien, starke Repression in Nebenstraßen. Im Besten Stile der SA gingen somit gestern Polizeieinheiten mit Knüppeln, Fäusten und unter dem massiven Einsatz von Pfefferspray auf friedliche Demonstranten los. Dies nicht zum ersten Mal, wie oben bereits erwähnt.

Hier stellt sich nun natürlich die Frage der Reaktion. Friede bewahren, Prügel einstecken und minimales Entgegenkommen abwarten oder den Frieden brechen, Prügel einstecken (wenn wahrscheinlich auch etwas weniger) und abwarten, was passiert. Das immer mehr AktivistInnen bereit sind mit gleicher Härte auf die staatliche Repression zu reagieren, zeigt sich bereits an einigen Demoplakaten, "Noch ist Athen in Griechenland" spricht eine eindeutige Botschaft. Auch die noch sehr lebendige Erinnerung an Prügelkommandos in Heiligendamm, das Vorgehen der Londoner Polizei beim Finanzgipfel (Al Djazira war live dabei) oder die aktuelle Situation in Kopenhagen werfen die Frage nach dem richtigen Verhalten immer wieder auf.

Die Lethargie, die naheliegende Vermutung Wiglaf Drostes, dass es sich die Deutschen in der Demokratie so gemütlich gemacht hätten, wie in einer Diktatur, stellt dabei einen schwer zu berechnenden Faktor dar. Werden sich die Deutschen mit einer sozialen Schieflage, welche immer weiter zunimmt, so abgeben, wie mit dem immer stärker aufkeimendem Rassismus in diesem Land und jeden diffamieren, der sich dagegen wehrt oder werden sie die Zeichen verstehen, die eine Radikalisierung aussendet. Im Großen und Ganzen gilt es also die Reaktion der "stummen Masse" abzuwägen. Solange die Massenmedien jedoch Polizeibrutalität und Repression ausblenden kann eine Eskalation nicht vermittelt werden. Andererseits stellt sich auch die Frage wie lange es vertretbar sich stumm bei dem Einsatz für Demokratie und gegen Selektion verprügeln zu lassen.
Achja, von der Straße ist das Thema aber damit noch lange nicht.

Sonntag, 6. Dezember 2009

Um der Freiheit Willen

>Wenn man uns verböte zu lieben, so würden wir doch umso mehr lieben und verböte man uns frei zu denken, so wollten wir doch umso mehr denken!<

Es ist äußerst erstaunlich, dass wir ein Gesellschaftliches Gut erst verlieren müssen, bevor wir uns bereit erklären um uns zu kämpfen. Erstaunlich und bedenklich. Ebenso erstaunlich ist es, dass der deutsche Feuilleton die aktuelle Protestbewegung noch immer als reinen Studentenprotest bewertet und zudem noch anfügt, die Bemühungen um einen Gesamtgesellschaftlichen Diskurs ließen sich vermissen. Bekanntermaßen ist dies falsch. Die Frage nach sozialer Selektion und Sozialabbau werden genau so gestellt, wie auch die Systemfrage gestellt wird. Inwiefern beeinflusst unser wirtschaftliches System unser gesellschaftliches System? Auch die Antwort darauf ist bereits gegeben worden. Die Idee der Konkurrenz ist gesät und relevant ist nur der Mensch, welcher Gewinne erzielt (und das wirklich in finanzieller Hinsicht).

Was ein Mensch wert ist, das ist - zumindest im universitäteren Bereich - auf den Euro runter zu brechen. Ein Absolvent in Regelstudienzeit ist auch mehr wert, als einer, der länger braucht. Mag er akademischen Ansprüchen auch nicht genügen, wichtig ist nur der finanzielle Mehrwert, welchen er der Universität, an welcher er seinen Abschluss gemacht hat, bringt.

Die Idee, einen Menschen also nach seinem kommerziellen Mehrwert zu betrachten, ist also nicht nur bei der JU Alltag, sondern in unserem gesamten gesellschaftlichen Selbstverständnis. Wohin uns dieses Gedankengut wahrscheinlich führend wird lässt sich in den großen Dystopien der Literaturgeschichte nachlesen.

Allein deswegen ist dieser "Studentenprotest" eine gesellschaftliche Bewegung. Bildung ist eben kein Bürger-, sondern ein Menschenrecht. Und ohne dieses Recht ist ein Mensch nun einmal nicht in der Lage an gesellschaftlichen Prozessen zu partizipieren, sondern wird sich Entscheidungen fügen müssen, welche ihm von anderen oktroyiert werden. Akademische Bildung beginnt in der Kita und entsprechend muss dort auch die Bildungspolitik beginnen und dies ist nur mit einem Umdenken möglich. Diese "Studentenbewegung" stellt die Systemfrage, wenn auch nur zaghaft, die Frage ist, wann sie die Gesellschaft stellt.
Und, naja, vielleicht fehlt uns einfach eine Leitkultur!

Mittwoch, 4. November 2009

Aktuelles aus Österreich

Hier einmal wieder etwas aus fremdem Federn. Eine Mitteilung des Plenums der Besetzer aus Wien mit dem Hinweis der vollen Unterstützung seitens meiner Person.

Liebe Studentinnen und Studenten in Deutschland,in Österreich sind die Unis besetzt. Wir sehen die Notwendigkeit, euch persönlich darüber zu informieren, was hier im Moment passiert, da in den Medien nicht vermittelt wurde, dass diese Proteste etwas Neues, nie Dagewesenes sind.

Dieser Protest wurde in einer völlig spontanen Solidarisierungs-Demonstration begründet, keine Studierendenvertretung oder Partei hat diese organisiert, rein aus dem Bewusstwerden der Bildungsproblematik heraus ist er entstanden und gewachsen. Diesen reinen Kern, diesen Motor, spüren wir hinter Allem, was hier geschieht. Die Studierenden aller Studienrichtungen haben sich spontan – ohne übergeordnete Organisation – zusammengefunden, um gegen die Studienbedingungen zu protestieren.
Das Ausmaß dieser Aktion ist der Beweis dafür, dass es sich um zentrale Anliegen handelt, die alle europäischen Studierenden persönlich betreffen. Wir protestieren, anders als es die Medien darstellen, zwar auch gegen die Entscheidungen der österreichischen Regierung, aber vor allem sind wir grundsätzlich mit europaweiten Tendenzen wie der Ökonomisierung der Bildung und der Entdemokratisierung der Bildungsinstitute nicht einverstanden. Dies sind länderübergreifende Probleme, an deren Lösung wir als Studierende nur dann beteiligt sein werden, wenn auch europaweit protestiert wird.

Der Wille zur Selbstbestimmung der Studierenden und der Lehrenden ist ein zentrales Element dieser Bewegung in Österreich. Deshalb wurden Hörsaäle besetzt, in denen nun lebendige und konstruktive Diskussionen stattfinden, an denen sich alle Studierenden jederzeit beteiligen können.

Es ist wichtig, dass nicht nur protestiert wird, sondern dass Diskussionsräume jenseits öffentlicher Institutionen und etablierter Plattformen geschaffen werden. In Österreich ist das bundesländerübergreifend bereits passiert. Die Diskussionen und Proteste hier werden anhalten und die Studierenden in Österreich warten auf ihre deutschen KommilitonInnen, um gemeinsame Probleme offenlegen zu können.
Am 05. November findet ein internationaler Protestag statt, als Warm-Up für eine Protestwoche unter dem Motto “Education is not for Sale”. Die Studierenden und SchülerInnen in Österreich unterstützen diesen Tag mit einer Großdemonstration.
Wir unterstützen jede/jeden einzelnen Studierenden, in Deutschland, in Europa und darüber hinaus, der mit seinem Bildungsystem unzufrieden ist.

Plenum des besetzten Audimax Wien.

http://unsereuni.at/
http://www.emancipating-education-for-all.org/

Dienstag, 27. Oktober 2009

Reden, Reden, Reden

Ein interessantes Phänomen bei Studenten ist die politische Ausrichtung und die Wahl des Studienfaches. Wirtschaftswissenschaftler, Betriebswirtschaftswissenschaftler und Ähnliche gehören zumeist eher dem rechten Spektrum an, während Geistes- und Gesellschaftswissenschaftlicher mehrheitlich dem linken Spektrum zugerechnet werden können. Der relevanteste Punkt bei der Wahl des Studienfaches ist damit, meiner Ansicht nach, die Einschätzung des Diskurses als legitimes Mittel zur Ergebnisbeschaffung. Für viele Vertreter ersterer Gruppe ist eine diskursive Auseinandersetzung mit Problemen irrelevant, da nur "hard facts" in einem Findungsprozess zu beachten seien. Klassisch geisteswissenschaftliche Disziplinen werden dementsprechend schon früh zu Laberfächern erklärt und diskreditiert. In der Folge wird der linke Politikstil belächelt.

Das aber gerade der Diskurs das Mittel zur Politisierung ist, wird dabei gerne übersehen. Rechtsgerichtete Systeme haben eher den Anspruch einer Mündingkeitsübernahme ("Ihr habt uns gewählt, wir machen das jetzt schon für Euch"), während linke Systeme sich eher als Initiatoren fühlen ("Wir haben folgenden Missstand und jetzt schauen wir mal gemeinsam, dass wir etwas dagegen tun"). Das erste System hat sicherlich den Vorteil, dass es unkomplizierter ist, jedoch den Nachteil, dass der nicht direkt politisch Aktive sich immer weiter zurückzieht. Dies wiederum schafft jedoch Raum für Populisten (von Rechts und Links), was wiederum niemand ernsthaft wollen kann (von den Populisten selbst natürlich mal abgesehen).

Apropos Populismus: Populistische Aktionen als Instrument sind sicher noch einmal anders zu bewerten, als ein populistisches Gesamtkonzept. In Zeiten einer "Eventbetonten" Gesellschaft ist die mediale Darstellung ein wahrscheinlich noch wichtigerer Faktor als er es in der Vergangenheit war (und man erinnere sich nur an die Fackelzüge der NSDAP). Relativ kurz aber wirksam, das ist die Demobestimmung des 21. Jahrhunderts, in welchem sich ein Großteil der BügerInnen der Bundesrepublik es sich "in der Demokratie so gemütlich gemacht hat wie in einer Diktatur (Wortlaut Wiglaf Droste). Der schleichende Abbau von Bürgerrechten fällt dabei nur wenigen Aktivistengruppen auf. Es ist sogar zur Normalität geworden Stasi-Methoden wie die Vorratsdatenspeicherung zu verfechten und gleichzeitig die DDR aufgrund dieser Systeme als Unrechtsstaat zu deklarieren. Die Absurdität dieses Verhaltens ist augenscheinlich - doch aus dieser Gemütlichkeitserklärung zurück zum Diskurs.

Der Diskurs beweist sich aus jenem Grunde der Gemütlichkeit, quasi des Lebens in Watte, als unbedingt notwendig. Die Welt regelt sich eben nicht von allein und der Mensch als originär kulturschaffendes Wesen muss sich eben dieser Kultur auch annehmen und sie pflegen, sonst wird alles Kultivierte zur Wildnis und dies bedeutet den Untergang für die Zierrose Mensch.
Ach übrigens: Informations- und Diskussionsveranstaltungen finden zu allen erdenklichen Themen in einer gewissen Regelmäßigkeit statt. Hier ist eine Bringschuld gefordert!

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Kapitalismus und Religion

Eines meiner liebsten Zitate von Karl Marx ist das Folgende: "Die Grundlage aller Kritik, ist die Kritik an der Religion!" Mag Karl Marx sich auch nicht in einer Reihe mit Friedrich Nietzsche und Ludwig Feuerbach befinden, so war ihm sicher eines wichtig: Die Abkehr von den Illusionen der Religionsgemeinschaften. Nach wie vor empfinde ich es als recht seltsam, dass die Religionsfreiheit im Grundgesetz dieser Republik steht. Ein Recht auf freien Glauben - natürlich - einer jeder mag glauben was er mag, aber ein Recht auf freie Ausübung einer Religion? Vor allem, wo endet diese Freiheit? Zumeist endet diese Freiheit an den Verstädnisgrenzen der christlich geprägten Majorität und diese sind bekanntlich relativ eng. Doch wenden wir uns der Verbindung aus Kapitalismus und Religion zu.

Der Kapitalismus und die Religion haben vor allem eine Sache gemein. Sie stellen ein leuchtendes Ende in Aussicht um den widrigen Weg durch die bestehenden Verhältnisse zu rechtfertigen und - dies ist nicht minderwichtig - als notwendig und "gut" zu deklarieren. In den meisten Religionen erwartet einen ewige Glückseligkeit bzw. ewige Qual (die Wahrscheinlichkeit ist, vor allem im Christentum, ungleich höher, zumindest, wenn man voraussetzt, dass man ein erfülltes Leben führen möchte), im Kapitalismus der Wohlstand. Vom Tellerwäscher zum Millionär (binnen einer Woche im Optimalfall).

Das Ausbeutungsprinzip ist in beiden Institutionen vollkommen gleich. Es gibt immer eine kleine Gruppe von Menschen, welche die Arbeitsmechanismen verstanden haben und eine große Gruppe von Menschen, welche sich der Illusion bedienen um den widrigen Alltag ertragen zu können. Der Prunk selbst stellt in beiden Institutionen einen wichtigen Faktor der Aussenwirkung dar. "Sehr her, auch so könnt ihr leben!" Götter verdienen prunkvolle Tempel (bzw. deren Vertreter auf Erden stellvertretend für diese) und die Gewinner des kapitalistischen Systems ebenso (immerhin sind sie die Vertreter des Ideals in der Wirklichkeit).

Das es keine Religionen in den realkommunistischen, totalitären Staaten gab ist nicht weiter verwunderlich, auch wenn der Gedanke dahinter sicher ein anderer war. Die Auseinandersetzung mit der Religion ist sicher wichtig, immerhin bestimmen Religionen die gesamte menschliche Entwicklung, doch muss sie so nüchtern geführt werden, wie nur irgends möglich. Es gibt keine Rücksicht auf religiöse Gefühle.

Ebenso ist es auch mit der Diskussion über ökonomische Systeme (und damit zumeist auch über gesellschäftliche Systeme) gestellt. Grundlage eines Diskurses über den Kapitalismus sollte niemals die Frage nach dem (möglicherweise erreichbaren) Ziel sein, sondern nach den "bestehenden Umständen". Die Idee des Wohlstands für alle ist so unsinnig wie die Idee des Himmels (darum mögen Christen auch den Kapitalismus, es liegt an ihrem tief empfundenen Drang sich blenden zu lassen). Es gibt ein Leben nach dem Tod genauso wenig wie einen Wohlstand nach der Armut. Nichts von beidem tritt ein, wenn man sich nur devot, lämmisch und naiv verhält.

Die kulturelle Gefahr ist unübersehbar. Bildung, darstellende Kunst etc. werden nur noch nach ihrem ökonomischen Wert beurteilt. Ein Buch ist nur so gut wie seine Verkaufszahlen, eine CD ebenso...und Innovation überlassen wir lieber jenen, die es sich leisten können. Wer wissen möchte, wie die gesamte Geschichte ausgeht sollte sich einfach mal den Film Rollerball ansehen (also das Original, nicht das recht kritikbefreite Remake).
Übrigens: Geld für Steuererleichterungen für den Mittelstand ist primär aus einem Grund nicht da: Man will es nicht da holen, wo es reichlich vorhanden ist.

Montag, 5. Oktober 2009

Ring frei für Runde 2

Etwas Gutes hat dieser Wahlausgang anscheinend doch bewirkt. All jene Schläfer, welche sich weder dem Lämmerdasein, noch dem politischen Desinteresse zugehörig fühlen verspüren einen steigenden Drang zur Aktion. 1.500 Menschen liefen sich heute in NRW gegen Atomkraft warm und auch die Vertreter der Verteidigungslinie der Bildungspolitik nehmen erneut Aufstellung. Im November wird der Bildungsstreik in eine zweite Runde gehen. Vom 16.11. bis zum 22.11. wird es wieder eine Bildungsstreik Woche geben, kombiniert mit einer internationalen Actionweek.

Die Frage die sich nun stellt ist natürlich einmal wieder das gefürchtete "Quo Vadis?". Seit Ablauf der letzten nationalen Bildungsstreikwoche wird heiß debattiert - teilweise auch kontrovers. Die Ideen sind breit, die Vertreter der Nordrhein-Westfälischen SchülerInnen- und Studierendenvertretungen werden sich sicher auf die Landtagswahl stürzen. Auch hier drohen weitere Jahre schwarz-gelb.

Gründe gibt es weiterhin zur Genüge. Neben den katastrophalen Studienbedingungen durch das undurchdachte Bachelor-/Mastersystem und den Studiengebühren hat auch ein nett dekoriertes Paket des Bundes die bedenkliche Lage der Universitäten des Landes aufgezeigt. Zur Mittelverteilung schickte das Land Prüfer aus, um die Mängel an der Bausubstanz der Universitäten zu bewerten. Das Ende vom Lied? Keine Universität in NRW bekommt mehr als 20% des benötigten Investitionsbedarfs. An den Gebäuden der Universität Duisburg-Essen stellte man einen Sanierungsbedarf in Höhe von 500 Millionen Euro fest, 77 Millionen wurden gewährt.

Des Weiteren ist auch der Umgang mit den doppelten Abiturjahrgängen nach wie vor nicht geregelt. Die Universität-Duisburg Essen sieht sich definitiv nicht in der Lage die nötigen Kapazitäten zu stellen. Einen Aufnahmestopp wird es deswegen aber sicher nicht geben, immerhin spült jeder Student der Universität im Jahr 960€ in die Kasse und dringend notwendige Projekte, wie das neue EDV System (Kostenpunkt ca. 72 Millionen Euro) müssen schließlich finanziert werden.

Die neuen Mobilisierungsaktivitäten im November liegen gut. Das Wintersemester bringt viele neue Studierende an die Hochschulen. Die regionalen Bildungsstreikdemos schafften es in alle wichtigen Medien. Sowohl die Frankfurter Rundschau, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die Tageszeitung berichteten durchaus umfassend über den Protest der Jungakademiker. Vielleicht wird diesmal die unbedingte Notwendigkeit einer bildungspolitischen Umstrukturierung von der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen, vielleicht müssen auch erst einige Absolventen mit minderwertigen Abschlüssen im späteren Berufsleben scheitern. Doch gilt es zu hoffen, dass vor allem die zunehmende Internationalisierung des Protests den endgültigen Durchbruch bringt.

Montag, 28. September 2009

Der Kommentar zur Wahl

Natürlich darf er nicht fehlen, der Kommentar zur Wahl. Auch ich möchte es mir keinesfalls nehmen einen Beitrag zur Debatte zu leisten, so strittig die Notwendigkeit einer Stellungnahme von meiner Seite auch sein mag.

Bereits in der letzten Ausgabe dürfte meiner Skepsis gegenüber einer Wespenkoalition deutlich geworden sein. Doch bewahrheitete sich bei dieser Wahl nun leider eine alte, demokratische Weisheit: "Nicht wählen hilft immer den Falschen". Zwar ist uns nach wie vor erspart ultrarechte Tendenzen im Bundestag ertragen zu müssen, aber anstatt eines Prestigeschadens durch rechtsradikale Propaganda wird Deutschland in den nächsten vier Jahren einen Schaden an den Elementen seiner Prinzipien nehmen müssen.

Noch immer ist es überhaupt unverständlich, wie ein Homosexueller mit einer Partei koalieren kann, welche Homosexuelle gezielt diffarmiert, wie eine Partei, die sich den Datenschutz auf die Fahne geschrieben hat mit einem Innenminister arbeiten möchte, welcher, neben zahlreichen bereits eingetretenen Beschränkungen, nun durch die Zusammenlegung von Verfassungsschutz und Polizei einen neuen Schritt der gezielten Repressionen gegen aktive Bürger unternimmt. Die einzigen Übereinstimmungen der Christ"demokraten" mit den "Liberalen" liegen augenscheinlich auf dem Gebiet der Wirtschaft. Dort, so bemerkte die NY Times, sind beide augenscheinlich "Pro Buisness".

Das sie bei der Wirtschaft bereits für allgemeines Speichellaufen sorgen bewies der Vorsitzde des Bundes der deutschen Industrie bereits mit dem wohl zynischsten Kommentar des Abends, als er in der ARD anmerkte, dass nur ein merkliches Wachstum die Bevölkerung die künftigen schweren Einschnitte ertragen lassen würde [Wortlaut]. Ein wahrlich perverses Bild, welches bereits wenige Minuten nach der 18 Uhr Prognose dort gezeigt wurde und eine düstere Aussicht in die Wirtschaftspolitik der nächsten Jahre.

Woran der Finanzkapitalismus kollabierte, das muss nun die Realwirtschaft leisten: Wachstum unter allen Umständen. Mag die Opelrettung dazu beigetragen haben oder ist es einfach das stupide Wesen von angehörigen der Wirtschaft, eines steht fest: Die Mitglieder der Industrie haben nicht begriffen, welche Folgen es hat, wenn man Wachstum ohne Rücksicht auf das wirtschaftliche Klima zu schaffen versucht.

Apropos Klima: Durch das rigerose Auftreten der Kanzlerin bei den letzten internationalen Klimaverhandlungen (bzw. Vertretern der Regierung) werden "Kompromisse" sicherlich in der Bevölkerung leichter aufgenommen. Man hat es ja versucht, aber nun müsse man nun eben irgendwie doch Schritt halten. Das eine oder andere AKW wird sicher länger laufen und auch das eine oder andere Kohlekraftwerk dürfte sicher demnächst in Deutschland entstehen - es schafft ja auch Arbeitsplätze.

Dieser Drang zum Wettbewerb zeigt eh eine sehr typische deutsche Eigenschaft. Die Angst vor "Links" oder einer "Revolution" sind so unfassbar fest in der deutschen, vor allen westdeutschen, Volksseele verankert, dass "Wessis", welche die letzte, wirklich spürbare, Unterdrückung im Faschismus erlebt haben lieber eine Mitte-Rechts Bündnis wählen, als den Versuch eines Umsturzes zu wagen. Lieber holt man jemanden ran, der weiß, wie man Eimer aufstellt, als jemanden der weiß, wie man eine Decke anständig isoliert. Entsprechend sehen einige die bürgerliche Politik, welche sich hinter dem Populismus der Linken versteckt, auch als linksextrem an - ein Trauerspiel der politischen Inkompetenz.

Was uns in den nächsten vier Jahren erwarten wird, wird sich zeigen. Vieles wird an der Öffentlichkeit vorbei gehen, vieles wird vor allem demokratische Aktivisten betreffen, vieles Intellektuelle und Kulturelle, einiges sicher auch das Prekariat. Denn was die Bildzeitung nicht erzählt, das weiß der mündige Bürger auch nicht.
Ach übrigens, wie wärs mit einer Petetion für ein weiteres Wahlfeld "Enthaltung". Damit kann man sicher ganz neue Mehrheiten schaffen!

Montag, 21. September 2009

Im Angesicht des Todes

Es ist erstaunlich, es ist wahrlich nur noch erstaunlich. Da schafft es ein Staat mehrere hundermilliarden Euro (>100.000.000.000) heranzuschaffen um die selbstverschuldeten Verluste eines, in sich kranken, Systems zu sichern und immernoch muss man man über Bildungsausgaben diskutieren. Zugegeben, dieser Blog mag ein recht sozialistischer sein, doch erscheint es mir als Perversionen des politischen Denkens, dass eine konsvervativ-liberale (man genieße dieses Paradoxon) Regierung diesen Staat führen möge. Ein wenig ist es so, als würde man 1933 die NSDAP unterstützen um den Faschismus zu verhindern.

Zugegeben, Angela Merkel ist nur halb so mobilisierend wie Adolf Hitler und Guido Westerwelle hat, trotz reifen Anfängen in Sachen Rethorik, dem Propagandaminister Göbbels maximal im Hinterstübchen etwas entgegenzusetzen. Fakt ist jedoch: Was eine schwarz-gelbe Regierung unter sozialer Marktwirtschaft verstünde, entspräche in etwa dem Verständnis der Nazis von Sozialismus.

Natürlich soll die SPD hier nicht ausgegrenzt werden. Gestern erst las ich in der FAS von der alten Dame des SPD, welche mit Müntefering anlässichlich ihres Geburtstages noch das Lied des Sozialisten sang. Ach wäre die SPD noch eine Arbeiterpartei, dann würde die Internationale nicht zum Brechreiz innerhalb dieses Haufens von Opportunisten führen. Doch der Alltag hat sich angepasst, sehen wir es ein, Es herrscht eine Stimmung wie am Sterbebett des geliebten Onkels.

Wozu die Analogie? Es ist ganz simpel. Man hält diesen geliebten Onkel am Leben. Er kann sich nicht artikulieren, nicht mitteilen, ist wahrscheinlich nicht einmal der simpelsten kognitiven Handlungen fähig, aber wir erhalten ihn. Seine leere Hülle weckt für die Einen Erinnerungen, für die Anderen Hoffnungen. Wir ignorieren die unbedingte Notwendigkeit des Todes für die Falschheit unserer beschränkten Hoffnungen.

Guido Westerwelle predigt den schlanken Staat, einen Staat der sich nur insofern einmischt, als das seine Einmischung notwendig wird. Doch sei die Frage gestellt, inwiefern dies notwendig ist. Was die FPD unter einem Mittelstand versteht dürfte dem Bild einer Burgeoisie entsprechen. Welche Regeln setzen Westerwelle und Co. für eine Deutsche Bank und einen Herrn Ackermann, welcher für jeden entlassenen Mitarbeiter (welcher nicht zum Prekariat gehört und damit der FDP nicht egal sein sollte) eine große Summe an Provisionen kassiert. Welche Forderungen stellt die FDP an die Profiteure jener so genannten Finanzkrise? Welche konkrete Antwort würde die FDP Herrn Funke geben? Eine doch recht neue Berechnung ergab zuletzt, dass man in Deutschland mit 132€ pro Monat überleben könnte, welche Rolle spielt dies in der Behandlung des besagten Herrn und ähnlicher Mananger?

Ich möchte ungern allzu sehr in die Ideen einer kommunistischen Idee ausbrechen, weil hier zu Lande die Panik vor dem Funken einer solchen Idee beinahe eben so groß ist wie in jenem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in welchen jederzeit die Angst vor dem Sozialismus umgeht, in welchem die schwächeren sozialen Schichten nicht gezielt diffarmiert werden, doch man bedenke folgendes: Der letzte Crash des globalen Finanzsystems brachte Europa den Faschismus. Der Finanzkapitalismus dieser Zeit war wesentlich geringer gegen das Realkapital multipliziert als er es heute ist. Will man wirklich Vertreter der Idee der Ungerechtigkeit die Führung eines Staates überlassen?

Es mag ein harter Vergleich sein, doch die Paralellen sind unübersehbar. Es soll kein Aufruf zum Schwenk nach links sein, dazu ist meine Argumentation viel zu oberflächlich, doch ein Gedanke der Reflektion wäre wünschenswert. Überdenkt die Ideen der politische Majoritäten. Wählt alles nicht faschistische jenseits der großen 5 (mit CSU 6), wählt ungültig, setzt ein Zeichen. Mögen es nur wenige tausend Stimmen auf eine kleine Partei sein, aber wählt die Unterstützer eures Untergangs ab.
Ach übrigens, ich kann mit den Piraten selbst nichts anfangen, aber wählt doch bitte auch die...

Montag, 14. September 2009

Perspektivenwechsel

Ich möchte an dieser Stelle einmal etwas eigenes literarisches einfügen. Das folgende Werk gehört nicht zu meiner aktuellen Sammlung, ist aber bereits in die nächste vorbedacht:

„Entschuldige, aber wie heißt du überhaupt?“

Ich blicke ihn wütend an, während sie ihren Namen nennt. Das war der primäre Reiz, ich will endlich einmal mit einer Frau schlafen, deren Namen ich nicht kenne. Dann am Besten weit weg von zu Hause, in der freien Natur, wir werden uns sobald nicht wiedersehen. Sie ist ein Stück nähergerückt, meine ich. Ich rede, führe aus, scheine mich großartig zu artikulieren. Sein Blick sagt mir das, sein Blick sagt mir, dass sie an meinen Lippen hängt. Wahrlich ist sie auf mich fixiert, ich sehe es, wenn ich mich zur Seite wende, ich versuche es mit Körperkontakt. Sie wehrt sich, wehrt sich so minimal wie mein Versuch minimal war. Sie schätzt mich, meine ich, ich will sie einfach nur vögeln, der Mensch ist mir egal, ich bin auf die Hülle fixiert...ich rede noch immer.


Fühlen sich so Menschen mit besonderen Themengebieten? Gibt es Linguisten, welche einfach in einen Dialekt verfallen, weil sie inzwischen genervt sind, da man sie immer wieder fragt, ob denn nun der Genitiv oder der Dativ angebracht wäre? Ich möchte stumpf sein, aber ich bin der Intellektuelle an diesem Tisch und ich rede noch immer. Über Literatur, oder Filme, oder Musik, ich weiß es nicht. Fick mich!


Wahrscheinlich bin ich ein äußerst interessanter Mensch. Wahrscheinlich kann man sehr gut mit mir reden. Wahrscheinlich wird sie ganz gut von mir unterhalten. Ich möchte das nicht und immer noch rede ich. Ich werfe französische Begriffe ein, ich beherrsche diese Sprache so sehr wie ich sie liebe – garnicht. Und dennoch rede ich, sage intelligente Sachen, werde kritisch bis bewundernd begutachtet, möchte doch nur stumpf sein. Hör doch einfach auf mich interessant zu finden. Hör doch einfach auf dich zu freuen mir begegnet zu sein. Finde mich doch einfach unausstehlich, aber sexuell begehrenswert und FICK MICH!


Genau so muss sich der berühmte Tenor fühlen, wenn er in Gesellschaft gepflegt einen heben möchte und dann doch ein Ständchen singen soll. Der Hausherr säße eben gerade am Klavier und habe das „Nessum Dorma“ geübt, man könne ihm diesen Wunsch ja nicht verwehren. Dort steht er dann also, lächelt, das Glas in der Hand und weiß nur, dass er in spätestens zwei Stunden den teuren Champagner gegen abgestandenes Bier tauschen wird. In dieser kleinen Kneipe, in welcher ihn keiner kennt, weil niemand dort in den oberen Kreisen verkehrt oder sich für seine Musik interessiert. Dort kann er einfach mal einen trinken. Ich trinke bereits Bier und bin dennoch irgendwie interessant. Deine Anwesenheit verunsichert mich, ich versuche lustig zu sein, bin es anscheinend, wirke kultiviert, aber nicht arrogant. Bin ja so interessant und will nur stumm sein. Fickt Euch!


Er sagt mir, sie habe die Augen nicht von mir gelassen, ich sage ihm, dass sie ihre Hände dafür sehr wohl bei sich lies. Er erwidert verwundert, dass ich garnicht betrunken gewirkt habe, meine Erinnerung besteht aus Fragmenten. Er empfand mich als charmant und unaufdringlich. Er sagt, ich habe die Kurve noch bekommen, sei nicht zu offensiv gewesen. Ich hätte lieber eine schallende Ohrfeige empfangen als leise Bewunderung. Fick dich!


Der Tachometer zeigt 180 km/h und überlege das Steuer los zu lassen. Mit einem lauten Lachen, einem Schreien. Orgasmische Agonie. Ich besinne mich und verringere die Geschwindigkeit, weil die Kurvenlage der Autobahn mir zu viel Konzentration abfordert. Ich werde dich so schnell nicht wiedersehen, habe keine Nummer von dir, aber deinen Namen. Brauche deinen Namen nicht, will deinen Namen nicht, wollte doch nur eine schnelle Ablenkung, ein kleines Intermezzo. Nein, ich bekam einen bewundernden Blick. Fuck you!


Donnerstag, 10. September 2009

Vertrauen vs. Desinteresse

Nun, der Titel bietet einmal wieder Platz für Oppositionen, aber diese Oppositionen bestehen nur oberflächlich. Es ist ein wenig so, als seien der einen Partei die bildungspolitischen Ansprüche wichtig, dem Koalitionspartner jedoch egal. Nun, diese Allegorie hinkt und es fällt mir garkein rechtes Beispiel ein.

Man stelle sich die folgende Situation vor: Der Protagonist unseres Exampels ist keineswegs seines Lebens überdrüssig, doch sieht er auch keine große Erfüllung in ihm. Es ist nicht so, als fühlte er sich leer, er könnte weitere Jahre auf diesem Planeten verbringen, ohne unglücklich zu sein, aber er hat nicht das Gefühl, dass er dieser Jahre bedarf. Er erfreut sich, an dem was er hat und bedarf dessen nicht unbedingt.

Was politisch also vollkommer Unfug ist, das mag Gesellschaftstheoretisch durchaus beachtenswert sein. Ich möchte an dieser Stelle die Option in den Raum werfen, dass man einem Menschen Vertrauen schenkt, weil man sich zu diesem Zeitpunkt in einem Zustand der absoluten Freiheit befindet. Es ist vollkommen egal, ob man nun bis zum Boden fällt oder aufgefangen wird. Im Moment des Absprungs ist man sich seiner Glückseligkeit sicher. Man weiß eines sicher: Die beiden Auswahlmöglichkeiten sind positiv. Entweder man beendet sein Leben in einem Moment der Gücksseligkeit, oder man lebt in dem Wissen weiter, dass Naivität sich doch nicht immer irrt (Der Mensch ist leider nicht naiv, der Mensch ist leider primitiv - M.M.-Westernhagen).

Vielleicht könnte durch diesen Gedanken die Skepsis etwas schwinden.

Donnerstag, 3. September 2009

Die Rationalisierung des Gefühls

Fähige Musiker wissen das und wollen sie sich nicht, entgegen ihrem Wissen, als Virtuosen aufspielen, so handeln sie nach einem einfachen Schema: Jede Note ist die logische Konsequenz aus der Summe der vorangegangen. Was sich für den Anfänger oder Unerfahrenen gut anhört ist für den gebildeten Theoretiker klares Kalkül. Wird der Theoretiker jedoch zum Praktiker so erfüllt auch ihn die Theorie eben wieder mit Gefühl, denn sie gelingt, weil es eben dem Ohr schmeichelt, sozusagen eine auditive Ästhetik in sich birgt. Das Genie besorgt in diesem Falle vielleicht noch das Zusammenspiel des Gesamten (Eine Orchestrierung als Echo der Stimmen zum Beispiel), doch ist alles logisch nachvollziehbar.

Kürzlich unterhielt ich mich mit einem entfernt bekannten Musiker über ein Intro meiner Band, welches wir live immer ohne feste bpm Anzahl spielen und merkte an, dass dieses Intro eben eines gewissen Feelings bedürfe, er widersprach, man könne das Intro eben einige Male spielen und dann habe man die entsprechende Geschwindigkeit irgendwann heraus. Wahrlich, so Unrecht hat er nicht. Sicher könnte man es so machen und würde ein Generaloptimum finden, welches jedoch hinter dem Individualoptimum zurückstünde. Es fühlt sich nicht immer alles gleich an für den schaffenden Künstler. Mal ist ihm das Stück in 120bpm zu schnell, mal in 130 zu langsam - eine entsprechende Irritation wirkt sich sodann auf sein Schaffen aus.

Ähnlich ist es auch bei der zwischenmenschlichen Beziehung. Viele Dystopen sagten bereits frühzeitig eine Zunahme der zwischenmenschlichen Kälte voraus, ebenso agieren jene Warner der Kulturindustrie und strenge Gegner der "neuen Medien". Der Essayist Sven Hillenkamp schrieb dazu in seinem aktuellen Buch Das Ende der Liebe:
"Das romantische Gefühl, die romantische Liebe, wird in unserer Gesellschaft untergraben, weil die Menschen, die permanent suchen und wählen müssen, permanent darüber nachdenken, was sie suchen und wählen wollen, also ihre Suche rationalisieren. Am Ende suchen sie dann etwas Rationales. Die Wahlmöglichkeit, die ja eine Voraussetzung für die romantische Liebe ist, untergräbt sie also gleichzeitig."

Ähnlich wie bei der Musik kann auch in zwischenmenschlichen Beziehungen das Gefühl - dieser Begriff soll zuerst einmal abstrakt bleiben - quasi zu Tode theoretisiert oder intellektualisiert werden. Die Frage welche sich, zumindest mir, an dieser Stelle aufdrängt ist jene, ob der Mensch als rationalisierendes Kontra des Gefühls in diesem Falle nun Praktiker oder Theoretiker ist. Man stelle sich folgendes Beispiel vor:
Eine Person A überprüft ihre Befindlichkeit gegenüber einer Person B umfassend nach rationalen Kriterien. Sie überdenkt den Nutzen einer Fortsetzung des kooperativen Lebens und erwägt Veränderungen, sie umfasst in ihren Gedankengängen ebenfalls so etwas wie ästhetische Anziehung und Sympathie, untersucht das Bauchgefühl auf seine Reaktionsstelle in der Aussenwelt und erwägt diese nach allen Regeln der Vernunft. Wenn jene Person A nun feststellte, dass ihre Zuneigung zu Person B rational nicht zu rechtfertigen ist, wäre sie in diesem Moment ein Praktiker und würde als vernünftiges Wesen eine rationale Entscheidung treffen, oder wäre sie ein Theoretiker und wüsste, das sich eben jene theoretische Auslegung in der Lebenswirklichkeit verändern möge, dass sie sich eben gerade nicht nach 120 bpm fühle, sondern nach 115bpm und dies somit auch ausdrücken muss, da ihr notwendigerweise keine Alternative bliebe?

Wir treffen im kleinen Maße, jeder bei sich selbst, diese Überlegung oftmals an. Genau in jenem Moment, in dem wir nicht verstehen, warum wir doch wieder den Telefonanruf beantworten, warum wir doch wieder zu hören und warum wir doch noch einmal wiederkehren. Dort treffen sich der Theoretiker und der Praktiker in uns, doch sie gehen friedlich gemeinsame Wege - allzumenschliche Wege.

Doch bleibt die Frage bestehen, ob Herr Hillenkamp mit seiner, mir durchaus schlüssig erscheinenden, Theorie recht haben kann. Untergräbt der rationale Mensch sich selbst, in dem er rationalisiert, was nicht zu rationalisieren ist? Hillenkamp sagt, die Möglichkeit der Auswahl sei Vorraussetzung und Zerstörer der romantischen Liebe, da sie sie ermögliche und gleichzeitig verhindere. Die Frage, welche ich mir jedoch stelle ist, wieviele rationale Überlegungen bereits verworfen wurden, zugunsten eines Bauchgefühls, dass jenen Auswahlkriterien widersprochen haben möge. Ist die Majorität der Menschen vielleicht garnicht in der Lage, sich zu theoretisieren? Wolfgang Amadeus Mozart gilt als große Ausnahme der europäischen Kultur und soll der einzige große Komponist mit einem absoluten Gehör gewesen sein. Mag es sein, dass nur einer unter Millionen in der Lage ist, das Gefühlte zu theoretisieren - wirklich zu theoretisieren.
Und angeblich sind es doch eh die Phäromone...

Montag, 31. August 2009

Das Phänomen Pro NRW

Während DVU und NPD ersichtlich dem rechtsradikalen Lager zugeordnet werden können schafft die rechtspopulistische Organisation Pro NRW es nach wie vor sich in ein Gewand der Bürgerlichkeit zu kleiden. Grund dafür ist sicherlich die einseitige, aber äußerst effektive, Hetze gegen den Islam. Als Faruk Sen schrieb, die Türken seien die neuen Juden, so löste dies breite Empörung aus, doch hinterfragt man diese Aussage einmal genauer, quasi auf Anwendungsfaktoren bestimmt, so scheint sie doch deutlich realitätsnäher und deutlich weniger hyperbolisch zu sein, als es zuerst den Anschein haben mag.

Theoder W. Adorno, Soziologe und großer Vertreter der kritischen Theorie, sagte bereits Ende der 60er Jahre in einem Fernsehinterview, er habe das Gefühl, dass die Studenten die neuen Juden Europas seien. Adorno selbst ging wohl kaum davon aus, dass in Zukunft eine systematische Deportation und Auslöschung der aktiven Studierendenschaften stattfinden werde, mehr ging es darum, dass die gesellschaftliche Akzeptanz der Repressalien gegen die Aktivisten vorangetrieben wurde und sich eben jene durch ständige Hetze in der Öffentlichkeit (allen voran natürlich die der Bildzeitung, welche die tragende Kraft an dem Anschlag auf Dutschke dargestellt haben dürfte) mit dem unreflektierten Kontra gegen ihre Idee auseinandersetzen mussten und somit aus einer diskursiven Gesellschaft ausgegrenzt wurden.

Das Problem, welches der Islam im westlichen Europa, aber speziell in Deutschland, hat ist in zwischen ein Ähnliches. Die unreflektierte Hetze gegen den Islam "an sich" erreicht dabei eine Legitimität in der Öffentlichkeit, welche ein weiteres Vorgehen gegen Menschen islamischen Glaubens sehr stark vereinfacht. Unter dem Schutzmantel dieses unbedachten Hasses reiht sich die Organisation Pro NRW perfekt ein. Sie nutzt das vorhandene Misstrauen und die sozialen Probleme gewisser Bevölkerungsschichten aus, um eine Athmosphäre der Angst und des Hasses zu bilden.

In einem zweiteiligen Videoclip "Hat Pro Köln doch recht?" erklärt die Organisation, welche eben in Köln ihren Anfang nahm, warum sie eben nicht rechts sei und warum sie eben überhaupt zu existieren habe. Gegen Ende dieser "Dokumentation" verweisen die Macher auf "ungeschminkte Statistiken", welche "junge muslimische Männer" als potentielle Gewalttäter herausstellen. Neben fehlendem Make Up zeigt sich bei diesen Zahlen jedoch auch eine fehlende Kontextualisierung. Betrachtet man Statistiken, so muss man das Umfeld betrachten, in welchem diese erhoben werden. Stellt man fest, dass 2/3 der Delikte von "jungen Männern mit Migrationshintergrund" begangen werden, so muss beachtet sein, dass jene oftmals vom sozialen Leben in der Bevölkerung, wie auch der Teilnahme am Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden, - neue Studien belegten, dass Bewerber mit ausländisch klingenden Namen in Deutschland trotz besserer Zeugnisse oftmals zugunsten von Bewerbern mit deutschem Namen, aber schlechterem Zeugnis, abgelehnt werden - was wiederum zu einer höhren Straffälligkeit führt. Ein weiterer Punkt ist das Erscheinen oder eben auch oft angesprochene Bild in Innenstädten. Auch dies kann oftmals dadurch erklärt werden, dass Deutsche Sozialhilfeempfänger ihr Haus nicht verlassen, entsprechend in der Öffentlichkeit nicht gesehen werden können.

Doch genug des Kulturvergleichs. Pro NRW arbeitet mit einem Katalog an Vorturteilen, wie ihn wohl zuletzt die Führung der NSDAP zusammenstellen konnte. Neben der gezielten Diffarmierung von Moslems schafft sie es auch, dass verklärte und angstgetränkte Bild der Bevölerung im Bezug auf "Linke" zu missbrauchen, benutzt gar Nazijargons á la Linksfaschismus und bedient sich dem Bild des uninformierten Randalierers um sich als Verteidiger der Demokratie aufzuschwingen. Pro NRW zeigt sich selbst offen Antifaschistisch und ist damit noch schwerer anzugreifen, als die NPD unter dem Schutz des Wolfang Schäuble - nur muss sie sich selbst finanzieren. Die Absurdität dahinter liegt mit Sicherheit in der gezielten Verfolgung Andersdenkender, doch gibt sich die Partei selbst so bürgerlich, dass man ihnen dies nicht nachweisen kann. Das System Pro NRW dürfte eine neue Bedrohungsdimension für den deutschen Staat, wie auch eine wirklich schwere Aufgabe für den mündigen Bürger darstellen, da Pro NRW es darauf zielt den eben unmündigen Bürger zum mündigen zu machen und seine unreflektierten Ansichten unter dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu proklamieren.

Immanuel Kant sagt in seiner Schrift "Was ist Aufklärung?" etwas Interessantes über seine Zeit:
"Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter?, so ist die Antwort: Nein, aber in einem Zeitalter der Aufklärung. [Immanuel Kant, Was ist Aufklärung? "Berlinische Monatsschrift", Dezember 1783]. Die Antwort auf jene Frage müsste heute jedoch anders lauten: Nein, aber in einem Zeitalter der Verklärung!
Am Samstag dem 05.09.2009 findet in Dortmund übrigens wieder eine Aktion gegen Faschismus statt.

Samstag, 29. August 2009

Die Kraft des geschriebenen Wortes

Welche Zeitung ist eigentlich die meist gelesene Zeitung Polens? Es ist, eigentlich war dies auch zu erwarten, das Boulevardblatt Fakt. Dies soll eigentlich nur eine kleine Einleitung und ein gewisses Aufatmen für die deutsche Identifikation sein, denn nicht nur Amerikaner und Deutsche sind zum Großteil Vollidioten, Polen definitiv auch und wenn man sich den Pressespiegel anderer Länder ansieht wird man sicherlich einige Verwandtschafften finden, man bedenke nur die Größe der britischen Sun. Interessanterweise ist die Le Monde jedoch die in Deutschland meistzitierte französische Zeitung, aber Frankreich hat ja auch noch eine sozialistische Partei.

Doch genug der Einleitung, es geht natürlich um das Thema Springer Verlag und dessen Frontschiff die Bild-"Zeitung". Eben jener Verlag hat sich nun in den letzten Tagen als besonderer Freund Israels zu profilieren versucht, in dem sie Original Pläne des Konzentrationslagers Auschwitz an Ministerpräsidenten Netanjahu übergaben. Angeblich sollen diese Pläne Eigentum des deutschen Staates sein, so zumindest das Bundesarchiv, der Springerverlag weiß natürlich nichts davon. Von der Eigentumsfrage abgesehen ist aber allein der reine Akt äußerst Interessant. Bereits während des letzten Völkermordes Seitens Israels, die Militäroperation "Gegossenes Blei" ist gemeint, zeigten sich sowohl Redakteure als auch Leser der rechtspopulistischen Bild äußerst solidarisch mit der israelischen Führung. Der Umgangston, vor allem in Leserbriefteil, erinnerte damals, soweit online einsehbar, sehr stark an die Pro-Fraktion in der "Waffen für El Salvador" Kampagne der taz, nur gab es diesmal keine Kontrafraktion, dies hätte auch einer Reflektion des Schaverhalts bedurft.

Apropos Reflektion: Die Bild selbst hatte sich einst als Arbeiterblatt tituliert, da sie eine unreflektiere Übertragung von Informationen - Meinung quasi Inbegriffen - übermittelt. Das zynisch gemalte Bild des Proletariats, welches von Seiten der Funktionäre an dieser Stelle gezeichnet wird ist so erschreckend wie zutreffend, auch wenn der genaue Ablauf der Wechselwirkung sicherlich einer genaueren Betrachtung bedürfte. Doch bleiben wir im politischen Tagesgeschehen.

Der Springerverlag schafft seine Zuwendung zu Israel gerade zu einem Zeitpunkt, in welchem, vor allem durch Liebermann, Israel einen starken Rechtsruck erlebt hat. Was die israelische Intellektuelle zutiefst bestürzte scheint ein gelungener Versuch seitens rechtspopulistischer Vereinigungen zu sein. Während sich, nach letzten mir bekannten Zahlen, noch 2/3 der israelischen Bevölkerung der Ansicht hingibt, dass Israel kein jüdischer Staat sei, sondern eben einfach ein säkularer Staat sein sollte, ist die jetzige Grundvoraussetzung von Seiten der israelischen Funktionäre, um einer zwei Staaten Lösung zuzustimmen, dass Israel als jüdischer Staat anerkannt werde - man stelle sich auf der Gegenseite vor, Palästina wollte als islamischer Staat anerkannt werden. Doch zurück in heimische Gefilde.

Die Aktion der Bildzeitung war erneut clever. Durch die Forderungen des Bundesarchivs kann sich der Springerverlag erneut gegen deutsche Institutionen stellen und so die Aufmerksamkeit des unbedarften Lesers genau auf seine nahezu heroische Aufklärungsarbeit gegen den Verklärungswillen seitens Deutschlands lenken. Der Opportunismus dieses Blattes ist dabei umso erschreckender, umso umfangreicher die Einflussnahme auf eine Majorität der Bevölkerung wird. Die Spaßgesellschaft wird vom Unterhaltungsprogramm der Bild bis ins letzte befriedigt, als rennt sie der politischen Meinung der Populisten blind und taub für die Realität hinterher. Die Duldung des Springer Imperiums durch die deutsche intellektuelle Elite bietet dabei ein absurdes Beispiel für ein Leben abseits der Welt.
Der einzige Anschlag, für den sich die RAF offiziell entschuldigte ist übrigens der Einzige, den ich voll und ganz unterstützen kann.

Mittwoch, 26. August 2009

Sehr geehrter Herr Nebel,

sie mögen verstehen, auch wenn sie, die Wahrscheinlichkeit verbietet es quasi, diesen Blog nie lesen werden, dass sie meiner tiefesten Verehrung bedürfen. Alles profane, alles pervertierte wird in ihren Worten zu Poesie und alles ach so triviale zur dichterischen Tiefe. Ich bin beinahe versucht ihren Erstling, den ewigen Tristan, zu kaufen doch sitze ich noch vor ihren "Vielleicht Liebesgeschichten", ihr Klappentext allein reicht der Sinnlosigkeit mehr Bedeutung zu geben, als es je ein Gott konnte.

Ihre Geschichten haben Tiefe, die zuletzt Goethe zu kennen vermochte, auch wenn ihr Versteckspiel, sie zu finden oder gar ein Photo von ihnen im Internet zu ergattern scheint Arbeit zu erforden, so bereicherten und inspriterten mich ihre Erzählungen doch. Die Simplizität ihrer Zuneigung erscheint mir als so komplex, dass ich lediglich die orthorgraphische und grammatikalische Richtigkeit dieses Blog im nüchternen Zustandende korrigieren werde. Sehen sie dies nicht als Tribut, denn das Tribut gehört jenen, die vergessen werden. Sehen sie das als flehen, als flehen um ihren Kontakt. Niemals würde ich zu ihren Füßen niederknien, doch würde ich nur allzu gern einen Diskurs mit ihren führen.

Was ist Liebe? Ist es nicht der Moment, von welchem man hofft er möge ewig bleiben, in dem Wissen, dass er doch allzu bald enden möge. Ist es das nicht das orgasmische Leiden der Frau desen terminale Beschränkheit uns die Vergägnlichkeit ob des Absoluten lehrt und ist es nicht das Verlangen zu ertragen, was alle Unzulänglichkeiten des Lebens mit sich bringen.

Sehr geehrter Herr Nebel,
in der Stunde der Ehrfurcht wage ich es nicht sie zu duzen, obowhl ich sie im Gedanken der, beinahe christlichen, Nächstenliebe weitergab, eine unwürdige Signatur auf die ersten Seiten ihres Werkes gekrizelt. Herr Nebel, ich muss beteuern, was Hesse versuchte, das schaffen sie. Surrealismus in Verbindung mit einem Lebensgefühl, Kafka im Verständnis.

Nie werden sie den Feuilleton der FAZ (mag dies geschehen sein, so habe ich es nicht gelesen) bereichern und doch sei ihnen gesagt, dass das profan scheinende ihrer Erzählung, wie bereits erwähnt jene greifbare Tiefe enthält, welche wir uns selbst nicht zugestehen wollen. Herr Nebel, ich sage ihnen, in literarischer Ehrfurcht, sie lehrten mich, dass Liebe (mit sexuellem Input) Leiden heißt und das die Annamhe dessen bedeutet vergeben und annehmen zu können.

Doch vor Allem, und dies ist der größte Respekt, welchen ich Ihnen zollen kann, lehrten sie mich einen kulturellen Genius nonaffektiert in wohlgewählte Worte zu fassen können, ihnen dient mein Dank.
Im übrigen entdeckte ich Sie zufällig!

Dienstag, 18. August 2009

Alte Selbstverständlichkeiten

Es gibt ein interessantes Ritual bezüglich meiner Studiengangswahl, welches sich in ca. 95% der Fälle abspielt wie folgt:

"Und was studierst du?"
"Germanstik und Philosophie."
"Ach, auf Lehramt."
"Nein, ich genieße schon diesen elenden Bachelor."
"Und was macht man nachher damit?"
"Taxi fahren...oder ich geh in den Journalismus, mach Verlagsarbeit oder werde einfach berühmt."

Es ist recht interessant, man kommt an dieser Stelle zumeist auf meinen Onlinejournalismus zu sprechen, darüber wie schlecht viele Redakteure (präferiert werden hier Redakteure der WAZ) sind, es geht um hochschulpolitisches Engagement und ähnliches. Interessant wurde jedoch ein kürzliches Gespräch beim Bier, welches mich doch einige Selbstbeherrschung kostete. Es fing harmlos an, mein Gegenüber argumentierte, bereits Generations unterscheidend, früher habe man gearbeitet um eine Familie zu ernähren - ich erwiderte ich habe nicht vor eine zu gründen, es ekele mich schon an, neben einer Frau auf zu wachen mit der ich geschlafen hatte. Es hielt sich kurz an dieser Stelle - ich bin ja noch so jung - nahm dann aber eine interessante Wende, welche sich irgendwie mit einer Formulierung des Ausdrucks "intellektuelles Geschwafel" einleitete.

Es ergab sich ein vollkommenes Unverständnis für eine Ablehnung, wobei, nein, das Wort ist zu stark, für eine nicht näher ausgeprägte Affinität zu Statussymbolen. Es ging um große Autos und Häuser, um allerlei Luxus. Nicht verstehen konnte mein Gegenüber, dass es doch ein so großer Luxus sei eine gute Scheibe zu hören und ein gutes Buch zu lesen. Die Wertschätzung gegenüber den kleinen Details schien vollkommen ausgeschaltet.

Ich frage mich seitdem, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben. [Natürlich habe ich mich das auch vorher Tag für Tag gefragt, aber jetzt wurde es mir noch einmal schmerzlichst bewusst, dass es etwas schief geht!] Das man sich, wenn man es sich finanziell erlauben kann, einige Luxusgüter erlaubt, das sei jedem gegönnt, welcher durch Fleiß (und natürlich auch etwas Glück) an sein Geld gekommen ist - in einem gewissen Rahmen muss das natürlich stehen - aber die Selbstverständlichkeit gesellschaftliches Prestige als oberste Prämisse seines Schaffens zu betrachten ist schon, so scheint es mir, ein recht abartiger Ansatz.
Heute im Zug meine Zeitung bei einem Kaffee zu lesen war übrigens wunderbar.

Mittwoch, 12. August 2009

Wir starten eine Revolution!

Neben jenen elenden Reimen von "fire" auf "desire" oder "away" auf "stay" sind Textzeilen, welche irgendwie implizieren, man wolle eine Revolution starten wohl das peinlichste, was die Popindustrie anzubieten hat - vor allem wenn gute situierte Philister dies äußern. Denn was heißt es eigentlich eine Revolution zu starten und inwiefern hat Musik etwas damit zu tun? Natürlich, die Flowerpower Welle war von Musik begleitet, die gewisse "Massenmilitanz" vom Punk und so mancher Musiker ist sogar nebenher Revolutionär, aber wie startet man eine Revolution?

Ein interessantes Beispiel ernstzunehmender revolutionärer Gedanken in der "Popkultur" (ich fasse den Rahmen hier sehr weit) hat zu letzt Tom Morello, ehemaliger Gitarrist von Rage against the machine, geliefert. Sein Projekt 'The Nightwatchman' ist voll von revolutionären Anspielungen und auch seine Videos zeigen seine Affinitäten zur ersten Bürgerpflicht: Politisches Engagement. Natürlich sieht die Reaktion auf politisches Engagament, zumindest sofern Lobbyisten eher unzuträglich, in den USA genau so aus wie in Europa, dennoch, es sind interessante Bilder die verbinden. Das interessanteste an seiner Revolution ist jedoch die musikalische Machart. Waren Rage against the machine schon als politische Band wahrnehmbar, so ist es Herr Morello noch umso mehr, allein deswegen, weil er sich, bis auf wenige Ausnahmen, auf eine Gitarre und seinen Gesang beschränkt.

Die Verbindung ist klar, man ist zurück bei den Protestliedern, bei jenen Männern und Frauen, welche sich mit einer Gitarre unter dem Arm gegen die Übel der Welt stellten. Um als prominentestes Beispiel Bon Dylan heranzuziehen sei folgendes gesagt: Die Revolution liegt immer in der Idee. Wer meinen Blog "Ein Tribut" gelesen hat, weiß worum es geht. Man kann im Rahmen seiner musikalischen Tätigkeit zwar durchaus politisches Gedankengut transportieren, doch es wirkt immer etwas heuchlerisch. Ein Song gegen Faschismus hört jeder klar denkende Mensch gern, doch am ehrlichsten wirkt er auf nur einer Gitarre, einem Instrument, das man bei sich trägt, eben wie seine Stimme, nicht von einer Steckdose abhängig, sondern immer einsatzbereit.

Würde Tom Morello bis zum bitteren Ende durchziehen, was er in seinen Texten beginnt, hätte er sicher eine Gefolgschaft. Auch so hat er eine, aber es ist eine Verlegenheitsrevolution, ein wenig wie die revolutionäre erste Mai Demo in Berlin, welche sich, davon ab im Besitz der besseren Alternative zu sein, noch nicht wirklich ins politische Blickfeld rücken konnte - von negativen Schlagzeilen abgesehen.

Will man also eine Revolution starten, ist man allein. Alles andere ist keine wirkliche Revolution. Sucht man erst einmal eine Gefolgschaft, beginnt man zu differenzieren, zu konkretisieren, verliert man sich im Diskurs und stagniert. Mag eine diskursive Gesellschaft auch das erklärte Ziel sein, so ist es eine Revolution nicht. Loyalität oder Tod. Wenn man sich "in der Sache" einig ist, so kann man, ist die Revolution geglückt, diskursiv die bestehenden Verhältnisse schaffen und - dieses scheinbare Paradoxon ist wichtig - die aktuelle Lebenswirklichkeit nachhaltig verändern. Dies ist auch der Grund, warum eine Revolution immer einen gewalttätigen Moment besitzen muss. Glückt sie, wird er als politisch notwendig empfunden (französische Revolution), glückt sie nicht, wird er als stupide betrachtet (RAF). [Die erwähnten revolutionären Bewegungen sollen hiermit beide, ausdrücklich letzte, nicht vorbehaltlos glorifiziert und auch nicht nur als gerechtfertigt werden, es soll nur zum Nachdenken angeregt sein].

Will man, also das Individuum, eine kleine Gruppe von Interessenten etc., also zur Revolution aufrufen sollte eines von vorneherein klar sein: Revolution ist in der Sache die Opposition zum Krieg, in ihrem Verlauf jedoch leider äquivalent. Entscheiden tun am Ende die Sieger und es fließt Blut. Man überlege sich also, ob man Revolutionär bzw. Revolutionärin sein möchte oder doch nur Reformer bzw. Reformerin.

Sonntag, 9. August 2009

Aphorismen

Irgendwie sind sie ja wunderbar und leider sind sie auch irgendwie vergessen, wer schreibt denn heute noch Aphorismen? In Thomas Manns "Zauberberg" gibt es eine wunderbare Stelle, an welcher Settembrini sagt, Hans Castorp könne nun, nach einem weiteren, recht intelligenten Ausspruch, seine Aphorismensammlung beginnen. Ich stelle mir gerade einmal vor, wie in Lektor bei Suhrkamp/Insel, Goldmann oder Fischer über einem 150-seitigen Manuskript voller Aphorismen säße und sich fragte, was das denn nun solle. Nicht, dass ich diesen Lektoren, zumindest Ersteren und Letzteren nicht, unterstellen wollte, sie wüssten nicht, was es mit dem vor sich liegenden Werk auf sich hat, dennoch glaube ich nicht, dass sie Verwendung dafür fänden - und das ist eine Schande.

Ich gebe es ja zu, niemand liest eine Aphorismensammlung von Anfang bis Ende durch, warum sollte man auch, aber es ist doch wahrlich ein immer wiederkehrender Spaß, sich seinem Bücherregal zu nähren, eine Aphorismensammlung aufzuschlagen und einfach wild ein wenig zu blättern. Ich tue das vor allem bei Nietzsche sehr gern. Jeder Aphorismus ist eine Neuentdeckung oder hat sich wegen der Veränderung der eigenen Lebensumstände vollständig in Interpretation und Bedeutung geändert.

Um ein wenig den Spaß zu vermitteln zu versuchen bemühe ich mich an dieser Stelle einmal um eine kleine Demonstration, in dem ich die gesammelten Werke Nietzsches aufschlagen und von jeder mit (kurzen) Aphorismen beschriebenen Seite einen heraussuche, bis ich fünf beisammen habe und lade damit einmal zum freudigen Sinieren über die kurzen Definitionen und Sinnsprüche ein:

Der Brave

Lieber aus ganzem Holz eine Feindschaft
Als eine geleimte Freundschaft
Die fröhliche Wissenschaft

Was wir tun. -
Was wir tun, wird nie verstanden, sondern immer nur gelobt und getadelt.
Die fröhliche Wissenschaft

Und nochmals gesagt. -
öffentliche Meinungen - private Faulheiten
Menschliches Allzumenschliches

Remedium amoris. -
Immer noch hilft gegen die Liebe in den meisten Fällen jenes alte Radikalmittel: Die Gegenliebe
Morgenröte

Verbotene Freigiebigkeit. -
Es ist nicht genug Liebe und Güte in der Welt, um noch davon an eingebildete Wesen wegschenken zu dürfen
Menschliches Allzumenschliches

Ich möchte an dieser Stelle bereits wieder schließen, doch nicht mit meinen eigenen, sondern mit den Worten eines großartigen deutschsprachigen Autors. Gutes Grübeln, abwägen, interpretieren, tadeln, loben und - vielleicht - verstehen.

"Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern"
- Franz Kafka

Dienstag, 4. August 2009

Ein Hoch auf die Gewohnheit!

Brüder und Schwestern, Feinde und so genannte Freunde, Verehrer und Ächter! Ich möchte ein Glas heben, zum Beginn, es dürfen ruhig einige mehr werden. Ein Glas, einen Toast auf die gute, alte Gewohnheit, auf den Trott, auf das sich immer-wieder-wiederholen, auf die Gleichförmigkeit und, das sollte keinenfalls vergessen werden, den Unterschied im Detail, denn, und wenn wir ehrlich sind, wussten wir es bereits alle, neue Ufer sind Ziele für Idealisten, die den Misserfolg zu ignorieren und in jedem Schmerz noch ihre Lehre zu finden wissen.

Ich gebe es hiermit einmal offen und ehrlich zu: Stünde Zarathustra mit all seiner Weisheit vor mir, ich lachte ihn aus, scheltete ihm seiner Idiotie und täte gut daran, denn eines, dass ist gut und wahr: Nietzsche war seiner Zeit soweit voraus, dass wir ihn noch immer nicht verstehen können; und auch daran tun wir gut, denn es ist diese große Liebe zur Trivialität, welche uns doch eigentlich am Leben hält und das Altbekannte, was uns Freude macht und man bedenke: Nicht durch Zorn, durch lachen tötet man. Durch Frohsinn, durch Überlegenheit, ergeben aus Stumpfheit gegen den Innovator, welcher sich dort verhält wider seiner Spezies.

Baute man ein Haus, man baute es aus Gewohnheit (Ja, es handelt sich hier um eine Metapher). Ziegel aus Oberflächlichkeit und Meinung kleideten sein Dach, Mauern aus Genugtuung stärkten seinen Bau und ein Fundament aus Ignoranz geböte dem Allen die letzte Stabilität, bis auf diesen kleinen Keim. Diesen Keim der Ungewissheit, den Keim des Argwohns und des Ekels vor sich selbst im Bewusstsein seiner eigenen Unzulänglichkeit, welche man doch so geschickt hinter seinem gesellschaftlichen Stellung versteckte und jener Beschränktheit, welche man doch hinter einer liberalen Meinung verbarg. Wohl wahr, Meinungen sind die Häute in denen wir gesehen werden wollen und was wir meinen, das bestimmen wir uns selbst, niemals ließen wir uns fallen und täten wir es doch, wir fänden das sichernde Netz vor dem Gewissheit bringenden Aufschlag, federten und landeten sanft auf unseren Füßen, bereit, wieder in die Dunkelheit einer weiteren Höhle zu weichen und der Erkenntnis den Rücken zu zukehren.

Es mag kritisch klingen, überkritisch, doch eigentlich ist es ein Lob, ein geliebter Zug am Menschen, welcher, in der Überzeugung zu wissen was ihm Recht ist in seiner kleinen Welt lebt und dort nicht heraus zu locken ist. Und dies ist sein Überlebenstrieb. Ein angewöhntes Verhalten des Selbstschutzes, wehe dem, der ihn fallen lässt.

Misery loves company, ein englisches Sprichtwort, aus dem lateinischen stammend fällt mir unpassender Weise dazu ein und Watzlawick der da sagte, es sei leicht unglücklich zu werden, aber schwer, es zu bleiben. Ebenso ist es leicht sich neuem zu öffnen, aber schwer, offen zu bleiben. Once bitten, twice shy, sagt da ein anderes englisches Ideom und es hat ebenso recht, klassische Konditionierung würde ich das nennen und es gutheißen, dieses triviale Sein, dieses Leben in Bahnen. Train kept rollin' ist ein alter Bluesklassiker, warum die Schienen verlassen? Man wird doch so sicher auf ihnen geführt. Gottes Wege sind bekanntlich unergründlich, dass negiert quasi seine Existenz, denn jeder Weg ist ergründlich für den, der ihn zu gehen bereit ist und das sind wir alle, oder wären wir alle, wären wir nicht dazu verdammt in einem Determinismus zu leben, welcher uns dieser Entscheidung beraubt. I'd like to jump but I'm afraid to hit the ground, der ewig gleiche Zwang.

Nun, Brüder und Schwestern, Feinde und so genannte Freunde, Verehrer und Verächter. Trinkt, doch, trinkt mit Bedacht - der Schierlingsbecher geht um!

Freitag, 31. Juli 2009

Angst fressen Hirn auf

Mir war doch glatt so, als gebe es im Iran ein Dörfchen mit dem Namen Braunschweig. Nun, leider verfehlt, es geht um jene deutsche Stadt Braunschweig und wäre die vorgefallene Aktion nicht so unfassbar lächerlich dächte man sich beinahe in einem totalitären System gefangen. Aber nein, juristisch ist das alles so weit abgesichert, zumindest grob, und Gesetze sind nun einmal da um beachtet zu werden.

Doch klären wir kurz die Situation. Am heutigen Freitag, um 16 Uhr, also quasi genau jetzt, sollte, nach Wunsch von Dirk Schadt, Autor aus Braunschweig, auf dem Schloßplatz vor dem Braunschweiger Einkaufszentrum "Schloßarkaden" ein Flashmob zum Thema "Picknick" stattfinden. Angedacht war eine zweistündige Versammlung mit Speiß und Trank. Verhindert hat dies das Ordnungsamt, welches Schadt aufforderte die Versammlung abzusagen. Herr Schadt tat sein übriges und bat darum - dem Auftrag des Ordnungsamtes, dies im angemessenen Umfang zu tun - via Blog, Flugblättern, Foren und kleinen Informationsblättern an Luftballons die Information weiterzugeben. Dezentrale Organisationsstrukturen greifen eben nicht auf einen E-Mail Verteiler zurück. Mag die Sache als solche schon belustigend sein, so betrachte man erst einmal die Argumentationsstrucktur von Seiten der Behörden.

Argument eins galt dem Pflaster. Die Pflastersteine, so das Amt, seien sehr teuer und sollten keiner unnötigen Belastung ausgesetzt werden, entsprechend möge man doch von dem Vorhaben absehen. Der Anfrage des Iniziators, inwiefern weiche Decken denn gefährlicher sein, als die Absätze von hochhakigen Schuhen, welche Tag für Tag das Pflaster malträtieren, erfolgte leider keine Antwort mehr. Wahrscheinlich war selbst den Bürokraten aus Braunschweig bewusst, dass ihre Argumentation so stupide war, dass man sich lieber zurückzöge.

Deutlich interessanter ist jedoch sogar Argument zwei, welches sich auf die Nutzung des öffentlichen Raumes bezieht. So sei, nach Angaben der Braunschweiger Behörden, der öffentliche Raum lediglich zur Fortbewegung von Punkt A nach Punkt B zu nutzen und nicht zum Aufenthalt gedacht. Die Antworten, welche die Diskussionen in einigen Foren daraufhin prägten, waren in ihrer Vielfältigkeit und ihrem Abwechslungreichtum äußerst lesenswert. Besondere Unterstützung verdient mit Sicherheit der Beitrag eines Forumbesuchers, welcher die Ausweitung von Reiterstaffeln forderte, welche dann, mit kleinen Lanzen bewaffnet, jeden durch leichtes Pieken zur Fortbewegung bringen könnten, der meine, stehen zu bleiben und so den öffentlichen Raum zu missbrauchen.

Doch Spaß bei Seite, denn die Sache ist ernst. Herr Schadt, ebenso entsetzt wie amüsiert, meldete daraufhin eine Demonstration für "Kunstfreiheit und die gemeinschaftliche Nutzung von öffentlichen Räumen" an - und wurde abgewiesen. Das Gedankengut, welches sich dahinter verbirgt, ist gefährlich. Augenscheinlich, auch im Zuge einer stärker werdenden Piratenpartei, fürchten die öffentliche Organe einen Generations-, Sozialstatus und auch der politischen Orientierung übergreifenden Zusammenschluss von Aktivisten, welche sich, eben vor allem von politischen Doktrinen gelöst, für Bürgerrechte und Kultur einsetzen. Alternative Kulturen zur öffentlichen Ordnung, weg von der Stigmatisierung und Präkriminalisierung bisherigen Subkulturen, könnten dort zu einem großen Problem für die bestehenden Machtstrukturen, vor allen im kommunalen und regionalen Raum werden. Eine Art Außerparlamentarischer Opposition ohne jede Form von Radikalität und politischer Angriffsfläche.

Wie sehr die Obrigkeit diese Volksbewegung fürchtet zeigt sich in letzter Zeit immer öfter, so achtet schon der Verfassungsschutz verschärft auf Ankündigungen zu Flashmobs jeder Art. In Karlsruhe kam es vor wenigen Tagen sogar zu direkten Drangsalierungen gegen aktive Bürger seitens der Polizei. Das Phänomen Flashmob dürfte von daher ein interessantes neues Mittel des Protestes werden, vor allem, da diese Institution als solche noch nicht durch Medienpropaganda vergiftet wurde.
Ich werde dann jetzt schnell zum Bus, um den öffentlichen Raum nicht zu lange zu missbrauchen.

Montag, 20. Juli 2009

Moralische Mörder

Da schlug es mich doch beinahe vom Bette, als ich am heutigen Abend die Nachrichten sah. Soldaten der Bundeswehr beschweren sich über einen Mangel an moralischer Unterstützung. Dies ist eine sehr interessante Beschwerde, denn betrachtet man den Einsatzrahmen der Bundeswehr, so fragt man sich doch, was nun alles moralisch unterstützenswert sei. Auch erinnern sollte man sich an die Aussage von Verteidigungsminister Struck aus dem Jahre 2004, als dieser sagte: "Deutschland wird nun auch am Hindukusch verteidigt."

Wer an dieser Stelle nicht an Imperialismus denkt, dem ist die Definition dieses Begriffs nicht bekannt oder der Blick auf die Welt getrübt. Bedenkt man, dass diese Verteidigung eben nicht auf irgendeiner Form von intellektueller Aufklärung basiert, auf irgendeiner Form von gegenseitigem kulturellem Austausch oder auf einer Analyse des Extremismus, sondern auf reiner militärischer Präsenz, mit der Zusatzaufgabe, militärische Einheiten und paramilitärische Polizeitruppen auszubilden.

Zugegeben: Die Meister des Kulturimperialismus waren und sind immer noch die Amerikaner, doch stellt sich die Frage, inwiefern dieser Kultur- (und auch Wirtschafts-)Imperialismus schädlicher ist als die reine militärische Präsenz. Wie wichtig zivile Strukturen sind, ist den großen Kriegstreibern nur allzu bekannt. Sieht man sich die Ziele der Operation "Gegossenes Blei" an, so wird einem deutlich, dass primär Krankenhäuser, Schulen und größere Versammlungstätten Prioritäten bei einem Angriffskrieg genießen. Der Vorwand der asymmetrischen Kriegsführung steigert sich in diesem Falle immer weiter ins lächerliche, denn ein Dorf, steht es im Irak, Afghanistan oder in Gaza, ist noch lange kein vietnamesischer Dschungel, dem nur mit Napalm beizukommen wäre.

Doch zurück zur erweiterten deutschen Grenze. Man könnte fast bösartig sagen, dass der SPD in nicht einmal acht Jahren gelungen ist, was Hitler ein Leben lang plante. Eine Erweiterung der deutschen Grenzen, sogar aus Europa heraus. Doch gelernt haben sie, Russland greift man nicht mehr an. Volker Pispers bemerkte dazu, dies nur also Randnotiz, einmal: "Putin wird nur nicht angegriffen, weil er die Waffen besitzt, von denen man behauptete Hussein hätte sie besessen", so in etwa zumindest.

Nun endgültig zurück zur deutschen Grenze: Der Auftrag der Bundeswehr im Ausland, mag es im Kosovo gewesen sein oder in den heutigen Einsatzgebieten, ist kein Friedenseinsatz. Es handelt sich dabei um knallharte militärische Operationen und die Entrüstung der deutschen Presse und Politik bei Bekanntwerden von Operationen außerhalb des Wiederaufbaus ist so ekelhaft naiv oder falsch, dass sie den mündigen Bürger eigentlich zum erbrechen bringen müsste.
Im übrigen töteten am gestrigen Tag deutsche Soldaten einen Minderjährigen. Pace!

Empathie für Diktatoren

Ein wunderbar missverständlicher Titel. Man mag es herauslesen, es scheint intrinsisch notwendig, dass jene Solitärs an der Spitze des Staates ein deutlich größeres Empathievermögen bräuchten. Nun, das mag sein, ich kenne Keinen, aber ich kenne viele, die eine deutlich größere Empathie für Diktatoren entwickeln sollten.

Es klingt, das muss ich zugeben, doch immer ein wenig unglaubwürdig, wenn ein einzelner Mensch ein Schlachtfeld humanitärer Katastrophen hinterlässt nur um im Anschluss zu beteuern, er habe dies doch garnicht gewollt. Doch könnte dem nicht wirklich so sein? Kann es nicht jene logische Konsequenz aus einem kleinen Fehltritt geben? Den Flügelschlag, welcher zum Hurricane mutiert? Eine nicht geschlossene Tür, ein Schmierzettel an falscher Stelle und alles wendet sich zum schlechten, doch aus Angst, oder Verantwortungsgefühl, oder gar moralischer Überlegenheit beginnt einer Prozess der permanenten Machtsicherung, welcher zu eben jenen Diktaturen führt, welche uns im Allgemeinen bekannt sind.

Nun vielleicht ist es nicht irgendein Schmierzettel, aber es mag mit äquivalent trivialen Ereignissen beginnen. Machtsicherung beginnt im kleinsten, beginnt eigentlich schon bei der Frage, wer den Platz an der Wand bekommt oder wer bei der Sitzung vor Kopf sitzt. Subtile Machstrukturen entstehen zumeist nicht über Ämterbezeichnungen, sondern über Geleistetes, welches man in den Kontext mit den Leistungen anderer stellt, meist um seine Position hervorzuheben. Es ist ein wenig eine katholische Angelegenheit, man will der Erste unter gleichen sein und hat man dies erst erreicht, so ist man Papst - oder einfach eine Sprosse auf der Hierachieleiter weiter nach oben geklettert.

Der problematische Teil, welcher schlussendlich den Rebellen zum Diktator macht, oder eben den kleinen Arbeiter oder jeden beliebigen - sicherlich moralisch legitimierten - Menschen, welcher eine Veränderung wünscht, beginnt dann in der Abschottung. Es lebt sich Gefährlich, wenn man revolutionäre Ideen hatte (Nietzsche wusste das) und selbst, wenn man nur eingefahrene bürokratische Systeme aufbrechen will, weiß man nie, ob man nicht in ein Wespennest sticht. Die logische Konsequenz daraus ist ein Abschotten, ein Absichern und, denn auch Revolutionäre werden gelegentlich von Selbstzweifeln geplagt, eine immer wiederkehrende Selbstversicherung etwas "Gutes" (das dieser Begriff so abstrakt ist widerstrebt mir durchaus auch, doch finde ich keinen Treffenderen und in seiner Abstraktheit lässt er doch unterschiedliche Deutungsarten zu, die verschiedenen Lesern sicherlich, zumindest im Durchschnitt, ein entsprechendes Bild zur Verdeutlichung meiner These zugänglich machen) zu tun. Und genau hier liegt eben das Problem, der Abgleich zwischen Ideal und Realität ist nicht mehr möglich und der einstige Schöpfer der Veränderung wird, man mag sich das vorstellen wie dem späten Beethoven, taub für die Lebenswirklich, dirigiert stattdessen eine Symphonie der Zerstörung, welche ihm als Arie der Glückseligkeit erscheint.

Zugegeben: Es gibt Diktatoren, welche ihre Länder und deren Bevölkerung bewusst ausbeuten und zur Genüge jene, die sich im Wohlstand so eingelebt haben, dass sie ihre Prinzipien dem Geld geopfert haben, doch, und hier mag ein jeder einen Selbstversuch wagen, ersuchen wir nicht alle die Sicherung von Dingen, die wir für gut und richtig halten?

Donnerstag, 16. Juli 2009

Ein Tribut

Eine Hommage widmet man zumeist Verstorbenen und dann wiederum primär jenen Revolutionären, welche ihre Revolution irgendwie in die Mitte der Gesellschaft getragen haben, jene, welche irgendwie domestiziert wurden und deren Gedankengut man gutbürgerlich, sich dabei so frei und unabhängig fühlend, leben kann. Sei es Musik, Literatur oder Politik, ein jeder wird nach dem Ausgang seines Versuches beurteilt, nicht dem Versuch selbst.

Eine weitere Form der Ehrenbekundung findet zumeist im Kreise emotionaler Nähe statt. Dies beginnt mit der, schon seit 20 Jahren nicht mehr amüsanten, Büttenrede auf die Großmama, zieht sich mit überraschend gut gewählten Worten zum Geburtstag bis hin zur Erwähnung eines Freundes, welcher, irgendwie vergessen, doch einmal etwas schuf und es Post-mortem noch in den Feuilleton schafft, der Tod ist doch wahrlich etwas ehrendes.

Darum ein mal ein Tribut an die Lebenden, zumindest derer Drei und ganz besonders einem. Ein Namen wollt ihr hören? Ach, Namen sind doch Schall und Rauch und ich muss zugeben, dass ich ihn bereits vergessen habe, wenn es den der richtige Name war.

Wenn jemand, auf einer Treppe sitzend, zwischen einer Gitarre und einem Rucksack voller Tape's, Bilder und Noten, sich eine Zigarette drehend auf die Frage, was er und seine Begleiter denn für Leute seien mit einem lächeln antwortet: "Komische Leute", so erscheint dies nahezu Romanfähig. Tramper in der Moderne, ein wenig an Albert Hammond und seine Free Electric Band erinnernd. Ungestresst und freundlich, Auskunftgebend und interessiert. Darum eine Hommage an zwei Männer und eine Frau, an einem Sonntagabend, am Essener Hauptbahnhof, welche mir das Warten auf den Zug so angenehm machten, dass ich mich schwer lösen konnte. Danke für den Blues, danke für Hendrix, danke für Dylan.

Wenn sich Freiheit irgendwie definieren lassen sollte, dann so. Fernab von allem Monetarismus, fernab von aller Hektik. Guys - you made my day!

Montag, 29. Juni 2009

Kulturelles Kapital

Ein kleiner Gedanke etwas Abseits vom Tagesgeschehen. Ich dachte in der letzten Woche viel über den Wert von Traditionen nach. Über eine kulturelle Identität und warum ich Patriotismus auf lokaler Ebene nachvollziehen kann, während ich Nationalpatriotismus für eine äußerst stupide Angelegenheit halte.

Ein Augenmerk dabei fiel vor allem auf iranische Emigranten, welche sich selbst eher als Perser bezeichnen, denn als Iraner und welche die persische Kultur, das kulturelle Erbe, in Ehren halten und verteidigen. Zugegeben, hier geht es um einen gegensätzlichen Effekt zum Lokalpatriotismus, aber die Kategorisierung scheint mir doch treffender. Große Denker waren immerhin keine Schwaben, sondern Kosmopoliten, und dennoch, dies erscheint mir zumindest in einer groben Übersicht so, immer ihrer Heimat, und damit ist nicht der Nationalstaat gemeint, verbunden. Nietzsche zum Beispiel schimpfte immer sehr über Deutschtümmelei und lobte den französischen Aufklärungsdrang, war dennoch von der ihm umgebenen Landschaft begeistert und fühlte sich dort heimisch.

Doch an dieser Stelle möchte ich den Bogen schnell zurückschlagen, bevor ich allzuweit abweiche. Worin besteht unsere kulturelle Identifikation, wie weit reicht sie zurück und in wieweit zehren wir davon? Als Ausrede benutzen wir sie definitiv gerne, zumindest wir Lokalisten. Wir Ruhrgebietler, wenn wir des Genitivs überdrüssig sind, die Schwaben, wenn sie Vergleiche mit "wie" anstellen und die Sachsen, wenn sie sich weigern verständlich zu sprechen (Sächsisch soll übrigens im nicht artikulierten Laut beim Orgasmus sehr sexy sein - ich stelle das mal in Frage).
Besteht unsere Identifikation aus einem Nothalt vor dem Rutsch in die Weite der Welt?

Der große Unterschied zwischen Berlin und Essen besteht im Umgang der Kulturen. Während sich Berlin sehr vielsprachig und multikulturell gestaltet zeigen sich Ruhrgebietsstädte eher subkulturell. Woran liegt das?

Verweigern sich bildungsferne Schichten absichtlich einer kulturellen Bildung und wohin ist der proletarische Kunstinstinkt gegangen? Hesse merkt in seinem Steppenwolf an, dass der Jazz, jenes Wilde, eben die Kunst der weniger feineren Geister sei. Die Kindergeschichte Aristocats arbeitet ebenso mit einem Unterschied zwischen proletarischer Kultur und Hochkultur (auch hier wieder am Beispiel des Jazz). Wohin ist diese Kultur eigentlich entschwunden?

Dies als lose Gedankensammlung an dieser Stelle. Ich wünsche einen guten Start in die Woche. Achja, ein Artikel von mir, etwas sortierter, erscheint übrigens in der nächsten Academy.

Sonntag, 21. Juni 2009

Bilungsstreik - Der Samstag

Freiheit ist Nichts, was man einmal erwirbt und dann für immer besitzt. Freiheit ist ein Gut, welches immer wieder verteidigt werden muss. Mit freier Bildung sieht es da sehr Ähnlich aus und so versammelten sich am gestrigen Samstag in Düsseldorf auch wieder zahlreiche Studenten, Schüler, Intellektuelle und Sympathisanten um für bessere Bedingungen in Schulen und Universitäten auf die Straße zu gehen.

Die Zahlen für gestern? Während der Demo hieß es einmal 10.000, das war jedoch Unsinn, die offiziellen Zahlen liegen zwischen 2500 und 5000...dazwischen wird irgendwo die Wahrheit liegen. Der Demonstrationszug verlief auch gestern wieder friedlich, allerdings kam es zu kleinen Auseinandersetzungen mit der Exekutive, als sich ca. 200 Demonstranten weigerten eine blockierte Kreuzung auf der Heinrich-Heine-Allee zu räumen. Das Spiel dauerte über drei Stunden an, immer mehr Teilnehmer der Demonstration kamen vom Ort der Abschlusskundgebung zurück, um Solidarität zu den inzwischen eingekesselten Bildungskämpfern zu zeigen. Abgesehen von einem Versuch der Polizei in die Menge der Demonstranten einzudringen, welche, getrennt von einer Wagenburg und stellenweise drei Reihen Polizisten, auf das Geschehen im Inneren des Kessels zu achten versuchten, verlief die Auseinandersetzung friedlich, es kam jedoch zu beinahe 200 Festnahmen.

Im Anschluss an die Räumung zog eine Spontandemo von der Heinrich-Heine-Allee zum Polizeipräsdium, um die Gefangenen zu empfangen. Das Prozedere zog sich über Stunden hinweg, die Polizei, so lies es sich aus Aussagen der Inhaftierten herauslesen, gingen dabei höchst willkürlich vor. Zudem waren nicht h´genug Fahrzeuge zum Abtransport der Eingekesselten vorhanden, was dazu führte, dass ein Linienbus angemietet werden musste. Als ich selbst gegen 22.30 Uhr den Ort des Geschehens verließ, waren immernoch nicht alle freigelassen, es wartete jedoch auch ein Mob von ca. 200 Menschen auf die in Haft genommenen.

Ein kleines Resümee zum Gesamtablauf des Bildungsstreik: Im großen und ganzen ist die Aktion als positiv zu bewerten, es kam zu wenig Zwischenfällen. Das Rektorat in Heidelberg wurde inzwischen polizeilich geräumt, das Audimax in Bochum wieder freigegeben, nur die Marburger Studenten scheinen noch zu besetzen, ein kleiner Aufruf zum Durchhalten daher an dieser Stelle.

Zum Abschluss der Streikwoche schaffte es dann noch die CDU, vertreten durch Hessens Bildungspolitischensprecher Hans-Jürgen Irmer, sich ins politische Abseits zu befördern, indem jener die Proteste als antidemokratisch bezeichnete. Ein bitte an den, ja ach so fleißigen, Verfassungsschutz an dieser Stelle: Beobachtung der CDU wegen tendenzieller Missachtung des Grundgesetzes, Einschränkung der Meinungsfreiheit und Diffarmierung politischer Gegner. Danke!