Sonntag, 6. Dezember 2009

Um der Freiheit Willen

>Wenn man uns verböte zu lieben, so würden wir doch umso mehr lieben und verböte man uns frei zu denken, so wollten wir doch umso mehr denken!<

Es ist äußerst erstaunlich, dass wir ein Gesellschaftliches Gut erst verlieren müssen, bevor wir uns bereit erklären um uns zu kämpfen. Erstaunlich und bedenklich. Ebenso erstaunlich ist es, dass der deutsche Feuilleton die aktuelle Protestbewegung noch immer als reinen Studentenprotest bewertet und zudem noch anfügt, die Bemühungen um einen Gesamtgesellschaftlichen Diskurs ließen sich vermissen. Bekanntermaßen ist dies falsch. Die Frage nach sozialer Selektion und Sozialabbau werden genau so gestellt, wie auch die Systemfrage gestellt wird. Inwiefern beeinflusst unser wirtschaftliches System unser gesellschaftliches System? Auch die Antwort darauf ist bereits gegeben worden. Die Idee der Konkurrenz ist gesät und relevant ist nur der Mensch, welcher Gewinne erzielt (und das wirklich in finanzieller Hinsicht).

Was ein Mensch wert ist, das ist - zumindest im universitäteren Bereich - auf den Euro runter zu brechen. Ein Absolvent in Regelstudienzeit ist auch mehr wert, als einer, der länger braucht. Mag er akademischen Ansprüchen auch nicht genügen, wichtig ist nur der finanzielle Mehrwert, welchen er der Universität, an welcher er seinen Abschluss gemacht hat, bringt.

Die Idee, einen Menschen also nach seinem kommerziellen Mehrwert zu betrachten, ist also nicht nur bei der JU Alltag, sondern in unserem gesamten gesellschaftlichen Selbstverständnis. Wohin uns dieses Gedankengut wahrscheinlich führend wird lässt sich in den großen Dystopien der Literaturgeschichte nachlesen.

Allein deswegen ist dieser "Studentenprotest" eine gesellschaftliche Bewegung. Bildung ist eben kein Bürger-, sondern ein Menschenrecht. Und ohne dieses Recht ist ein Mensch nun einmal nicht in der Lage an gesellschaftlichen Prozessen zu partizipieren, sondern wird sich Entscheidungen fügen müssen, welche ihm von anderen oktroyiert werden. Akademische Bildung beginnt in der Kita und entsprechend muss dort auch die Bildungspolitik beginnen und dies ist nur mit einem Umdenken möglich. Diese "Studentenbewegung" stellt die Systemfrage, wenn auch nur zaghaft, die Frage ist, wann sie die Gesellschaft stellt.
Und, naja, vielleicht fehlt uns einfach eine Leitkultur!

7 Kommentare:

  1. Mal ne Frage zu euren Protestaktionen: ist es okay, Menschen, die lernwillig in die Uni kommen um dort eine Leistung in Anspruch zu nehmen, für die Sie bezahlt haben und (noch schlimmer), für die sie früh aufgestanden sind, mit Blokaden daran zu hindern dies zu tun?

    Gehört der Protest in die Unis? Ich denke, er gehört auf die Strasse. Wen trefft ihr denn mit den Besetzungen? Wohl nur Studenten, bei denen eure Sympathiewerte nach und nach sinken.

    Geht dahin, wo diejenigen sind, die ihr treffen wollt. Was kann denn der Student oder auch der Prof. ändern?

    In der Sache geb ich euch ja völlig Recht. Nur euer Weg ist vollkommen falsch. Ihr trefft wirklich die Falschen.

    Der Hoschi

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  2. Ich stimme bei der betrachtung der Kolatteralschäden Hoschi zu, es ist sicher nicht der geschickteste Zug.

    Und ich hab bei Phrasen wie "Der Mensch wird nur noch Wirtschaflich betrachtet" den starken Eindruck von schön auswendig gelernter Pseudokritik.

    Allerdings frag ich mich häufig, wenn ich Studenten sich darüber beschweren höre, dass man doch irgendwo anders angreifen sollte, warum die das dann nicht einfach machen. Warum zündet von denen niemand ein Rathaus an oder zerstört das Haus desjenigen, der das Gesetz für Studiengebühren unterzeichnet hat, oder hängt ihn gleich gut sichtbar irgendwo auf?

    Eben, weil man sowas nicht einfach aus dem Nichts macht. Dazu brauch es etwas Eskalation.
    Allerdings, wieviel man davon von den Mitstudenten erwarten kann, sieht man ja, wenn der Ausfall einer Vorlesung - was, wenn es Kater- oder Professorenbedingt passiert, eine willkommene Pause ist - auf einmal eine Katastrophe wird, wenn er mal durch einen (zugegebenermaßen ziemlich Dummen) Protestversuch verursacht wird.

    Die Kritik an den Methoden ist imho richtig. Allerdings sollten sich imho alle Studenten mal fragen, wie sehr sie für Studiengebührenfreiheit sein können, wenn eine ausgefallene Vorlesung schon nicht mehr Tragbar ist. Ja, die Proteste haben euch geschadet, nicht den typen, den sie schaden sollten. Ihr werdet es überleben. Was schlagt ihr vor wie man es macht?

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  3. Ich sehe mich dann einmal genötigt auf alles ein zu gehen:

    Zum ersten empfinde ich dieses Bild des lernwilligen Studierenden im Vergleich zu protestwilligen Studenten extrem kurz gegriffen. Die Besetzer aus Wien bieten zum Beispiel ein unglaubliches Wissenschaftliches und Kulturelles Programm. Lernwillige sind dort sehr gut bedient. In Essen gab es auf Grund der Kürze der Zeit nur einen Alternativvortrag: "Quantitative Sozialforschung der finanziellen Lage der Studierenden der Universität Duisburg-Essen nach Einführung der Studienbeiträge". War sehr interessant. Die Besetzungen dienen zudem der Raumschaffung.

    Zum zweiten möchte ich auf den Vorwurf der Pseudokritik eingehen. Ich halte eine Systemfrage immer für grundsätzlich relevant und diese stellt sich hier nun einmal. Man merkt in der Rethorik der Politik nun einmal auch, dass es um Menschenmaterial geht. Universitäten sind angehalten Nachwuchs für den Arbeitsmarkt zu produzieren.

    Zuletzt etwas zum Vorgehen: Ein klares Feindbild gibt es nicht, dass ist ein Problem des erzwungenen Pragmatismus. In dem BA System akkumulieren sich jedoch Problemfelder zu einer Masse des Desinteresses. Das hat sich in der zweiten Phase des Bildungsstreiks gezeigt. Allein deswegen muss de Protest auch sichtbar in den Universitäten bleiben. Rathauser anzünden sollte man jedoch erst in einer wirklichen Phase des Terrors. Die gesellschaftliche Revolution der 68er ist auch an der frühen Eskalation durch die RAF gescheitert. Aufklärung ist hier das Stichwort.

    Das als kurze Ergänzung.

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  4. Die Frage, die Keppla und ich uns stellen, scheint mir in erster Linie aber die zu sein, ob man in der Uni gegen Zustände in der selben protestieren kann. Keppla schlägt einen deutlich radikaleren Weg vor, oder fragt zumindest, warum dieser grundsätzlich nicht gegangen wird. Ich wäre schon zufrieden, wenn die Protestler ihrem Protest an den richtigen Adressaten bringen würden.

    Die meisten Studenten wissen ganz genau was schief läuft. Ich denke nicht, dass es hier der Aufklärung bedarf. Ebenso sind die Professoren genau im Bilde. Leider sind beide Gruppen keine, die einen nennenswerten Einfluss haben.

    Ob das Bild des Lernwilligen zu kurz gefasst ist weis ich nicht. Mich würds mächtig nerven, wenn einer eine wichtige Vorlesung in einem Fach, vor dessen Klausur ich richtig Angst habe verhindert. Das würde ich als persönlichen Angriff werten. Wenn ich mich dann auch noch um 7.00 Uhr aus dem Bett gequölt hab um zur Uni zu kommen, dann wäre bei mir auch Protestwille da. Aber nicht gegen die Studiengebühren!

    Davon ab mal ein einziger Inhaltlicher Punkt:

    Wenn ich das richtig verstanden hab, dann seit ihr für eine Verkürzung der Anwesenheitspflicht. Ich kann nur für mich selber sprechen, aber an meiner FH gab es in sechs Semestern Studium genau eine Vorlesung, bei der eine Anwesenheitspflicht bestand. Und wenn ich mich an die vier Semester in Essen erinnere, gab es auch da nicht wirklich viele derartige Vorlesungen. Wogegen seit ihr also nochmal?

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  5. Um es von hinten aufzurollen:

    In einigen Vorlesungen gibt es eine Prüfungsleistung und eine Anwesenheitspflicht. Dies wird in der BA Rahmenprüfungsordnung nun verhindert.

    Aufklärung ist absolut notwendig. Die wenigsten Studierenden verstehen etwas von studentischer oder akademischer Selbstverwaltung. Das die von dir genannten Gruppen relativ machtlos sind ist übrigens ein neues Phänomen, welches wir mit der Redemokratisierung der Hochschulen wieder Rückgängig machen wollen.

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  6. Du schreibst: "In einigen Vorlesungen(...)" Dazu zwei Fragen: Wieviel ist "In einigen.." (ungefährer Prozentwert plus ungefährer absoluter Wert würden mir reichen)? Und was ist grundsätzlich schlimm an Anwesenheitspflichten? Ich mein: Wie soll die Lehre verbessert werden, wenn keiner hingeht? Und in der Schule und am Arbeitsplatz hat man in der Regel auch anwesend zu sein.

    Offenbar scheint es aber auch kein allzu großes Interesse zu geben was zu ändern. Mal ehrlich: so toll viele kommen auch nicht zu eure Besetzungen und als vor eingen Jahren die großen Demos gegen die Studiengebühren waren, waren auch nicht wirklich überragende Mengen auf der Straße.

    Mag man schade finden, aber scheinbar ist der Leidensdruck noch zu klein.

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  7. Ich kann dir da weder absolute, noch prozentuale Zahlen nennen. Das Problem besteht aber dennoch. Generell widerspricht aber Anwesenheitspflicht der Idee der akademisch-intellektuellen Selbstbestimmtheit des Lernens.

    Das wenige Leute auf die Straße gehen, das wenige Leute aktiv an Besetzungen mitwirken und das wenige Leute sich in der studentischen Selbstverwaltung betätigen ist jedoch kein Anlass das Problem außer Acht zu lassen. Es gab auch wenige Desateure im Hitlerfaschismus. War die Grausamkeit des Holocauts deswegen zu gering?

    Die Idee, das eine Universität eine Ausbildungsstelle für den Arbeitsmarkt ist hat sich inzwischen so weit durchgesetzt, dass es schon weh tut. Ich weiß nicht, ob du den Artikel in der Zeit vom 26.11. gelesen hast, aber der drückt genau dieses Problem aus.

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