Dienstag, 27. Oktober 2009

Reden, Reden, Reden

Ein interessantes Phänomen bei Studenten ist die politische Ausrichtung und die Wahl des Studienfaches. Wirtschaftswissenschaftler, Betriebswirtschaftswissenschaftler und Ähnliche gehören zumeist eher dem rechten Spektrum an, während Geistes- und Gesellschaftswissenschaftlicher mehrheitlich dem linken Spektrum zugerechnet werden können. Der relevanteste Punkt bei der Wahl des Studienfaches ist damit, meiner Ansicht nach, die Einschätzung des Diskurses als legitimes Mittel zur Ergebnisbeschaffung. Für viele Vertreter ersterer Gruppe ist eine diskursive Auseinandersetzung mit Problemen irrelevant, da nur "hard facts" in einem Findungsprozess zu beachten seien. Klassisch geisteswissenschaftliche Disziplinen werden dementsprechend schon früh zu Laberfächern erklärt und diskreditiert. In der Folge wird der linke Politikstil belächelt.

Das aber gerade der Diskurs das Mittel zur Politisierung ist, wird dabei gerne übersehen. Rechtsgerichtete Systeme haben eher den Anspruch einer Mündingkeitsübernahme ("Ihr habt uns gewählt, wir machen das jetzt schon für Euch"), während linke Systeme sich eher als Initiatoren fühlen ("Wir haben folgenden Missstand und jetzt schauen wir mal gemeinsam, dass wir etwas dagegen tun"). Das erste System hat sicherlich den Vorteil, dass es unkomplizierter ist, jedoch den Nachteil, dass der nicht direkt politisch Aktive sich immer weiter zurückzieht. Dies wiederum schafft jedoch Raum für Populisten (von Rechts und Links), was wiederum niemand ernsthaft wollen kann (von den Populisten selbst natürlich mal abgesehen).

Apropos Populismus: Populistische Aktionen als Instrument sind sicher noch einmal anders zu bewerten, als ein populistisches Gesamtkonzept. In Zeiten einer "Eventbetonten" Gesellschaft ist die mediale Darstellung ein wahrscheinlich noch wichtigerer Faktor als er es in der Vergangenheit war (und man erinnere sich nur an die Fackelzüge der NSDAP). Relativ kurz aber wirksam, das ist die Demobestimmung des 21. Jahrhunderts, in welchem sich ein Großteil der BügerInnen der Bundesrepublik es sich "in der Demokratie so gemütlich gemacht hat wie in einer Diktatur (Wortlaut Wiglaf Droste). Der schleichende Abbau von Bürgerrechten fällt dabei nur wenigen Aktivistengruppen auf. Es ist sogar zur Normalität geworden Stasi-Methoden wie die Vorratsdatenspeicherung zu verfechten und gleichzeitig die DDR aufgrund dieser Systeme als Unrechtsstaat zu deklarieren. Die Absurdität dieses Verhaltens ist augenscheinlich - doch aus dieser Gemütlichkeitserklärung zurück zum Diskurs.

Der Diskurs beweist sich aus jenem Grunde der Gemütlichkeit, quasi des Lebens in Watte, als unbedingt notwendig. Die Welt regelt sich eben nicht von allein und der Mensch als originär kulturschaffendes Wesen muss sich eben dieser Kultur auch annehmen und sie pflegen, sonst wird alles Kultivierte zur Wildnis und dies bedeutet den Untergang für die Zierrose Mensch.
Ach übrigens: Informations- und Diskussionsveranstaltungen finden zu allen erdenklichen Themen in einer gewissen Regelmäßigkeit statt. Hier ist eine Bringschuld gefordert!

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Kapitalismus und Religion

Eines meiner liebsten Zitate von Karl Marx ist das Folgende: "Die Grundlage aller Kritik, ist die Kritik an der Religion!" Mag Karl Marx sich auch nicht in einer Reihe mit Friedrich Nietzsche und Ludwig Feuerbach befinden, so war ihm sicher eines wichtig: Die Abkehr von den Illusionen der Religionsgemeinschaften. Nach wie vor empfinde ich es als recht seltsam, dass die Religionsfreiheit im Grundgesetz dieser Republik steht. Ein Recht auf freien Glauben - natürlich - einer jeder mag glauben was er mag, aber ein Recht auf freie Ausübung einer Religion? Vor allem, wo endet diese Freiheit? Zumeist endet diese Freiheit an den Verstädnisgrenzen der christlich geprägten Majorität und diese sind bekanntlich relativ eng. Doch wenden wir uns der Verbindung aus Kapitalismus und Religion zu.

Der Kapitalismus und die Religion haben vor allem eine Sache gemein. Sie stellen ein leuchtendes Ende in Aussicht um den widrigen Weg durch die bestehenden Verhältnisse zu rechtfertigen und - dies ist nicht minderwichtig - als notwendig und "gut" zu deklarieren. In den meisten Religionen erwartet einen ewige Glückseligkeit bzw. ewige Qual (die Wahrscheinlichkeit ist, vor allem im Christentum, ungleich höher, zumindest, wenn man voraussetzt, dass man ein erfülltes Leben führen möchte), im Kapitalismus der Wohlstand. Vom Tellerwäscher zum Millionär (binnen einer Woche im Optimalfall).

Das Ausbeutungsprinzip ist in beiden Institutionen vollkommen gleich. Es gibt immer eine kleine Gruppe von Menschen, welche die Arbeitsmechanismen verstanden haben und eine große Gruppe von Menschen, welche sich der Illusion bedienen um den widrigen Alltag ertragen zu können. Der Prunk selbst stellt in beiden Institutionen einen wichtigen Faktor der Aussenwirkung dar. "Sehr her, auch so könnt ihr leben!" Götter verdienen prunkvolle Tempel (bzw. deren Vertreter auf Erden stellvertretend für diese) und die Gewinner des kapitalistischen Systems ebenso (immerhin sind sie die Vertreter des Ideals in der Wirklichkeit).

Das es keine Religionen in den realkommunistischen, totalitären Staaten gab ist nicht weiter verwunderlich, auch wenn der Gedanke dahinter sicher ein anderer war. Die Auseinandersetzung mit der Religion ist sicher wichtig, immerhin bestimmen Religionen die gesamte menschliche Entwicklung, doch muss sie so nüchtern geführt werden, wie nur irgends möglich. Es gibt keine Rücksicht auf religiöse Gefühle.

Ebenso ist es auch mit der Diskussion über ökonomische Systeme (und damit zumeist auch über gesellschäftliche Systeme) gestellt. Grundlage eines Diskurses über den Kapitalismus sollte niemals die Frage nach dem (möglicherweise erreichbaren) Ziel sein, sondern nach den "bestehenden Umständen". Die Idee des Wohlstands für alle ist so unsinnig wie die Idee des Himmels (darum mögen Christen auch den Kapitalismus, es liegt an ihrem tief empfundenen Drang sich blenden zu lassen). Es gibt ein Leben nach dem Tod genauso wenig wie einen Wohlstand nach der Armut. Nichts von beidem tritt ein, wenn man sich nur devot, lämmisch und naiv verhält.

Die kulturelle Gefahr ist unübersehbar. Bildung, darstellende Kunst etc. werden nur noch nach ihrem ökonomischen Wert beurteilt. Ein Buch ist nur so gut wie seine Verkaufszahlen, eine CD ebenso...und Innovation überlassen wir lieber jenen, die es sich leisten können. Wer wissen möchte, wie die gesamte Geschichte ausgeht sollte sich einfach mal den Film Rollerball ansehen (also das Original, nicht das recht kritikbefreite Remake).
Übrigens: Geld für Steuererleichterungen für den Mittelstand ist primär aus einem Grund nicht da: Man will es nicht da holen, wo es reichlich vorhanden ist.

Montag, 5. Oktober 2009

Ring frei für Runde 2

Etwas Gutes hat dieser Wahlausgang anscheinend doch bewirkt. All jene Schläfer, welche sich weder dem Lämmerdasein, noch dem politischen Desinteresse zugehörig fühlen verspüren einen steigenden Drang zur Aktion. 1.500 Menschen liefen sich heute in NRW gegen Atomkraft warm und auch die Vertreter der Verteidigungslinie der Bildungspolitik nehmen erneut Aufstellung. Im November wird der Bildungsstreik in eine zweite Runde gehen. Vom 16.11. bis zum 22.11. wird es wieder eine Bildungsstreik Woche geben, kombiniert mit einer internationalen Actionweek.

Die Frage die sich nun stellt ist natürlich einmal wieder das gefürchtete "Quo Vadis?". Seit Ablauf der letzten nationalen Bildungsstreikwoche wird heiß debattiert - teilweise auch kontrovers. Die Ideen sind breit, die Vertreter der Nordrhein-Westfälischen SchülerInnen- und Studierendenvertretungen werden sich sicher auf die Landtagswahl stürzen. Auch hier drohen weitere Jahre schwarz-gelb.

Gründe gibt es weiterhin zur Genüge. Neben den katastrophalen Studienbedingungen durch das undurchdachte Bachelor-/Mastersystem und den Studiengebühren hat auch ein nett dekoriertes Paket des Bundes die bedenkliche Lage der Universitäten des Landes aufgezeigt. Zur Mittelverteilung schickte das Land Prüfer aus, um die Mängel an der Bausubstanz der Universitäten zu bewerten. Das Ende vom Lied? Keine Universität in NRW bekommt mehr als 20% des benötigten Investitionsbedarfs. An den Gebäuden der Universität Duisburg-Essen stellte man einen Sanierungsbedarf in Höhe von 500 Millionen Euro fest, 77 Millionen wurden gewährt.

Des Weiteren ist auch der Umgang mit den doppelten Abiturjahrgängen nach wie vor nicht geregelt. Die Universität-Duisburg Essen sieht sich definitiv nicht in der Lage die nötigen Kapazitäten zu stellen. Einen Aufnahmestopp wird es deswegen aber sicher nicht geben, immerhin spült jeder Student der Universität im Jahr 960€ in die Kasse und dringend notwendige Projekte, wie das neue EDV System (Kostenpunkt ca. 72 Millionen Euro) müssen schließlich finanziert werden.

Die neuen Mobilisierungsaktivitäten im November liegen gut. Das Wintersemester bringt viele neue Studierende an die Hochschulen. Die regionalen Bildungsstreikdemos schafften es in alle wichtigen Medien. Sowohl die Frankfurter Rundschau, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die Tageszeitung berichteten durchaus umfassend über den Protest der Jungakademiker. Vielleicht wird diesmal die unbedingte Notwendigkeit einer bildungspolitischen Umstrukturierung von der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen, vielleicht müssen auch erst einige Absolventen mit minderwertigen Abschlüssen im späteren Berufsleben scheitern. Doch gilt es zu hoffen, dass vor allem die zunehmende Internationalisierung des Protests den endgültigen Durchbruch bringt.