Montag, 31. August 2009

Das Phänomen Pro NRW

Während DVU und NPD ersichtlich dem rechtsradikalen Lager zugeordnet werden können schafft die rechtspopulistische Organisation Pro NRW es nach wie vor sich in ein Gewand der Bürgerlichkeit zu kleiden. Grund dafür ist sicherlich die einseitige, aber äußerst effektive, Hetze gegen den Islam. Als Faruk Sen schrieb, die Türken seien die neuen Juden, so löste dies breite Empörung aus, doch hinterfragt man diese Aussage einmal genauer, quasi auf Anwendungsfaktoren bestimmt, so scheint sie doch deutlich realitätsnäher und deutlich weniger hyperbolisch zu sein, als es zuerst den Anschein haben mag.

Theoder W. Adorno, Soziologe und großer Vertreter der kritischen Theorie, sagte bereits Ende der 60er Jahre in einem Fernsehinterview, er habe das Gefühl, dass die Studenten die neuen Juden Europas seien. Adorno selbst ging wohl kaum davon aus, dass in Zukunft eine systematische Deportation und Auslöschung der aktiven Studierendenschaften stattfinden werde, mehr ging es darum, dass die gesellschaftliche Akzeptanz der Repressalien gegen die Aktivisten vorangetrieben wurde und sich eben jene durch ständige Hetze in der Öffentlichkeit (allen voran natürlich die der Bildzeitung, welche die tragende Kraft an dem Anschlag auf Dutschke dargestellt haben dürfte) mit dem unreflektierten Kontra gegen ihre Idee auseinandersetzen mussten und somit aus einer diskursiven Gesellschaft ausgegrenzt wurden.

Das Problem, welches der Islam im westlichen Europa, aber speziell in Deutschland, hat ist in zwischen ein Ähnliches. Die unreflektierte Hetze gegen den Islam "an sich" erreicht dabei eine Legitimität in der Öffentlichkeit, welche ein weiteres Vorgehen gegen Menschen islamischen Glaubens sehr stark vereinfacht. Unter dem Schutzmantel dieses unbedachten Hasses reiht sich die Organisation Pro NRW perfekt ein. Sie nutzt das vorhandene Misstrauen und die sozialen Probleme gewisser Bevölkerungsschichten aus, um eine Athmosphäre der Angst und des Hasses zu bilden.

In einem zweiteiligen Videoclip "Hat Pro Köln doch recht?" erklärt die Organisation, welche eben in Köln ihren Anfang nahm, warum sie eben nicht rechts sei und warum sie eben überhaupt zu existieren habe. Gegen Ende dieser "Dokumentation" verweisen die Macher auf "ungeschminkte Statistiken", welche "junge muslimische Männer" als potentielle Gewalttäter herausstellen. Neben fehlendem Make Up zeigt sich bei diesen Zahlen jedoch auch eine fehlende Kontextualisierung. Betrachtet man Statistiken, so muss man das Umfeld betrachten, in welchem diese erhoben werden. Stellt man fest, dass 2/3 der Delikte von "jungen Männern mit Migrationshintergrund" begangen werden, so muss beachtet sein, dass jene oftmals vom sozialen Leben in der Bevölkerung, wie auch der Teilnahme am Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden, - neue Studien belegten, dass Bewerber mit ausländisch klingenden Namen in Deutschland trotz besserer Zeugnisse oftmals zugunsten von Bewerbern mit deutschem Namen, aber schlechterem Zeugnis, abgelehnt werden - was wiederum zu einer höhren Straffälligkeit führt. Ein weiterer Punkt ist das Erscheinen oder eben auch oft angesprochene Bild in Innenstädten. Auch dies kann oftmals dadurch erklärt werden, dass Deutsche Sozialhilfeempfänger ihr Haus nicht verlassen, entsprechend in der Öffentlichkeit nicht gesehen werden können.

Doch genug des Kulturvergleichs. Pro NRW arbeitet mit einem Katalog an Vorturteilen, wie ihn wohl zuletzt die Führung der NSDAP zusammenstellen konnte. Neben der gezielten Diffarmierung von Moslems schafft sie es auch, dass verklärte und angstgetränkte Bild der Bevölerung im Bezug auf "Linke" zu missbrauchen, benutzt gar Nazijargons á la Linksfaschismus und bedient sich dem Bild des uninformierten Randalierers um sich als Verteidiger der Demokratie aufzuschwingen. Pro NRW zeigt sich selbst offen Antifaschistisch und ist damit noch schwerer anzugreifen, als die NPD unter dem Schutz des Wolfang Schäuble - nur muss sie sich selbst finanzieren. Die Absurdität dahinter liegt mit Sicherheit in der gezielten Verfolgung Andersdenkender, doch gibt sich die Partei selbst so bürgerlich, dass man ihnen dies nicht nachweisen kann. Das System Pro NRW dürfte eine neue Bedrohungsdimension für den deutschen Staat, wie auch eine wirklich schwere Aufgabe für den mündigen Bürger darstellen, da Pro NRW es darauf zielt den eben unmündigen Bürger zum mündigen zu machen und seine unreflektierten Ansichten unter dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu proklamieren.

Immanuel Kant sagt in seiner Schrift "Was ist Aufklärung?" etwas Interessantes über seine Zeit:
"Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter?, so ist die Antwort: Nein, aber in einem Zeitalter der Aufklärung. [Immanuel Kant, Was ist Aufklärung? "Berlinische Monatsschrift", Dezember 1783]. Die Antwort auf jene Frage müsste heute jedoch anders lauten: Nein, aber in einem Zeitalter der Verklärung!
Am Samstag dem 05.09.2009 findet in Dortmund übrigens wieder eine Aktion gegen Faschismus statt.

Samstag, 29. August 2009

Die Kraft des geschriebenen Wortes

Welche Zeitung ist eigentlich die meist gelesene Zeitung Polens? Es ist, eigentlich war dies auch zu erwarten, das Boulevardblatt Fakt. Dies soll eigentlich nur eine kleine Einleitung und ein gewisses Aufatmen für die deutsche Identifikation sein, denn nicht nur Amerikaner und Deutsche sind zum Großteil Vollidioten, Polen definitiv auch und wenn man sich den Pressespiegel anderer Länder ansieht wird man sicherlich einige Verwandtschafften finden, man bedenke nur die Größe der britischen Sun. Interessanterweise ist die Le Monde jedoch die in Deutschland meistzitierte französische Zeitung, aber Frankreich hat ja auch noch eine sozialistische Partei.

Doch genug der Einleitung, es geht natürlich um das Thema Springer Verlag und dessen Frontschiff die Bild-"Zeitung". Eben jener Verlag hat sich nun in den letzten Tagen als besonderer Freund Israels zu profilieren versucht, in dem sie Original Pläne des Konzentrationslagers Auschwitz an Ministerpräsidenten Netanjahu übergaben. Angeblich sollen diese Pläne Eigentum des deutschen Staates sein, so zumindest das Bundesarchiv, der Springerverlag weiß natürlich nichts davon. Von der Eigentumsfrage abgesehen ist aber allein der reine Akt äußerst Interessant. Bereits während des letzten Völkermordes Seitens Israels, die Militäroperation "Gegossenes Blei" ist gemeint, zeigten sich sowohl Redakteure als auch Leser der rechtspopulistischen Bild äußerst solidarisch mit der israelischen Führung. Der Umgangston, vor allem in Leserbriefteil, erinnerte damals, soweit online einsehbar, sehr stark an die Pro-Fraktion in der "Waffen für El Salvador" Kampagne der taz, nur gab es diesmal keine Kontrafraktion, dies hätte auch einer Reflektion des Schaverhalts bedurft.

Apropos Reflektion: Die Bild selbst hatte sich einst als Arbeiterblatt tituliert, da sie eine unreflektiere Übertragung von Informationen - Meinung quasi Inbegriffen - übermittelt. Das zynisch gemalte Bild des Proletariats, welches von Seiten der Funktionäre an dieser Stelle gezeichnet wird ist so erschreckend wie zutreffend, auch wenn der genaue Ablauf der Wechselwirkung sicherlich einer genaueren Betrachtung bedürfte. Doch bleiben wir im politischen Tagesgeschehen.

Der Springerverlag schafft seine Zuwendung zu Israel gerade zu einem Zeitpunkt, in welchem, vor allem durch Liebermann, Israel einen starken Rechtsruck erlebt hat. Was die israelische Intellektuelle zutiefst bestürzte scheint ein gelungener Versuch seitens rechtspopulistischer Vereinigungen zu sein. Während sich, nach letzten mir bekannten Zahlen, noch 2/3 der israelischen Bevölkerung der Ansicht hingibt, dass Israel kein jüdischer Staat sei, sondern eben einfach ein säkularer Staat sein sollte, ist die jetzige Grundvoraussetzung von Seiten der israelischen Funktionäre, um einer zwei Staaten Lösung zuzustimmen, dass Israel als jüdischer Staat anerkannt werde - man stelle sich auf der Gegenseite vor, Palästina wollte als islamischer Staat anerkannt werden. Doch zurück in heimische Gefilde.

Die Aktion der Bildzeitung war erneut clever. Durch die Forderungen des Bundesarchivs kann sich der Springerverlag erneut gegen deutsche Institutionen stellen und so die Aufmerksamkeit des unbedarften Lesers genau auf seine nahezu heroische Aufklärungsarbeit gegen den Verklärungswillen seitens Deutschlands lenken. Der Opportunismus dieses Blattes ist dabei umso erschreckender, umso umfangreicher die Einflussnahme auf eine Majorität der Bevölkerung wird. Die Spaßgesellschaft wird vom Unterhaltungsprogramm der Bild bis ins letzte befriedigt, als rennt sie der politischen Meinung der Populisten blind und taub für die Realität hinterher. Die Duldung des Springer Imperiums durch die deutsche intellektuelle Elite bietet dabei ein absurdes Beispiel für ein Leben abseits der Welt.
Der einzige Anschlag, für den sich die RAF offiziell entschuldigte ist übrigens der Einzige, den ich voll und ganz unterstützen kann.

Mittwoch, 26. August 2009

Sehr geehrter Herr Nebel,

sie mögen verstehen, auch wenn sie, die Wahrscheinlichkeit verbietet es quasi, diesen Blog nie lesen werden, dass sie meiner tiefesten Verehrung bedürfen. Alles profane, alles pervertierte wird in ihren Worten zu Poesie und alles ach so triviale zur dichterischen Tiefe. Ich bin beinahe versucht ihren Erstling, den ewigen Tristan, zu kaufen doch sitze ich noch vor ihren "Vielleicht Liebesgeschichten", ihr Klappentext allein reicht der Sinnlosigkeit mehr Bedeutung zu geben, als es je ein Gott konnte.

Ihre Geschichten haben Tiefe, die zuletzt Goethe zu kennen vermochte, auch wenn ihr Versteckspiel, sie zu finden oder gar ein Photo von ihnen im Internet zu ergattern scheint Arbeit zu erforden, so bereicherten und inspriterten mich ihre Erzählungen doch. Die Simplizität ihrer Zuneigung erscheint mir als so komplex, dass ich lediglich die orthorgraphische und grammatikalische Richtigkeit dieses Blog im nüchternen Zustandende korrigieren werde. Sehen sie dies nicht als Tribut, denn das Tribut gehört jenen, die vergessen werden. Sehen sie das als flehen, als flehen um ihren Kontakt. Niemals würde ich zu ihren Füßen niederknien, doch würde ich nur allzu gern einen Diskurs mit ihren führen.

Was ist Liebe? Ist es nicht der Moment, von welchem man hofft er möge ewig bleiben, in dem Wissen, dass er doch allzu bald enden möge. Ist es das nicht das orgasmische Leiden der Frau desen terminale Beschränkheit uns die Vergägnlichkeit ob des Absoluten lehrt und ist es nicht das Verlangen zu ertragen, was alle Unzulänglichkeiten des Lebens mit sich bringen.

Sehr geehrter Herr Nebel,
in der Stunde der Ehrfurcht wage ich es nicht sie zu duzen, obowhl ich sie im Gedanken der, beinahe christlichen, Nächstenliebe weitergab, eine unwürdige Signatur auf die ersten Seiten ihres Werkes gekrizelt. Herr Nebel, ich muss beteuern, was Hesse versuchte, das schaffen sie. Surrealismus in Verbindung mit einem Lebensgefühl, Kafka im Verständnis.

Nie werden sie den Feuilleton der FAZ (mag dies geschehen sein, so habe ich es nicht gelesen) bereichern und doch sei ihnen gesagt, dass das profan scheinende ihrer Erzählung, wie bereits erwähnt jene greifbare Tiefe enthält, welche wir uns selbst nicht zugestehen wollen. Herr Nebel, ich sage ihnen, in literarischer Ehrfurcht, sie lehrten mich, dass Liebe (mit sexuellem Input) Leiden heißt und das die Annamhe dessen bedeutet vergeben und annehmen zu können.

Doch vor Allem, und dies ist der größte Respekt, welchen ich Ihnen zollen kann, lehrten sie mich einen kulturellen Genius nonaffektiert in wohlgewählte Worte zu fassen können, ihnen dient mein Dank.
Im übrigen entdeckte ich Sie zufällig!

Dienstag, 18. August 2009

Alte Selbstverständlichkeiten

Es gibt ein interessantes Ritual bezüglich meiner Studiengangswahl, welches sich in ca. 95% der Fälle abspielt wie folgt:

"Und was studierst du?"
"Germanstik und Philosophie."
"Ach, auf Lehramt."
"Nein, ich genieße schon diesen elenden Bachelor."
"Und was macht man nachher damit?"
"Taxi fahren...oder ich geh in den Journalismus, mach Verlagsarbeit oder werde einfach berühmt."

Es ist recht interessant, man kommt an dieser Stelle zumeist auf meinen Onlinejournalismus zu sprechen, darüber wie schlecht viele Redakteure (präferiert werden hier Redakteure der WAZ) sind, es geht um hochschulpolitisches Engagement und ähnliches. Interessant wurde jedoch ein kürzliches Gespräch beim Bier, welches mich doch einige Selbstbeherrschung kostete. Es fing harmlos an, mein Gegenüber argumentierte, bereits Generations unterscheidend, früher habe man gearbeitet um eine Familie zu ernähren - ich erwiderte ich habe nicht vor eine zu gründen, es ekele mich schon an, neben einer Frau auf zu wachen mit der ich geschlafen hatte. Es hielt sich kurz an dieser Stelle - ich bin ja noch so jung - nahm dann aber eine interessante Wende, welche sich irgendwie mit einer Formulierung des Ausdrucks "intellektuelles Geschwafel" einleitete.

Es ergab sich ein vollkommenes Unverständnis für eine Ablehnung, wobei, nein, das Wort ist zu stark, für eine nicht näher ausgeprägte Affinität zu Statussymbolen. Es ging um große Autos und Häuser, um allerlei Luxus. Nicht verstehen konnte mein Gegenüber, dass es doch ein so großer Luxus sei eine gute Scheibe zu hören und ein gutes Buch zu lesen. Die Wertschätzung gegenüber den kleinen Details schien vollkommen ausgeschaltet.

Ich frage mich seitdem, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben. [Natürlich habe ich mich das auch vorher Tag für Tag gefragt, aber jetzt wurde es mir noch einmal schmerzlichst bewusst, dass es etwas schief geht!] Das man sich, wenn man es sich finanziell erlauben kann, einige Luxusgüter erlaubt, das sei jedem gegönnt, welcher durch Fleiß (und natürlich auch etwas Glück) an sein Geld gekommen ist - in einem gewissen Rahmen muss das natürlich stehen - aber die Selbstverständlichkeit gesellschaftliches Prestige als oberste Prämisse seines Schaffens zu betrachten ist schon, so scheint es mir, ein recht abartiger Ansatz.
Heute im Zug meine Zeitung bei einem Kaffee zu lesen war übrigens wunderbar.

Mittwoch, 12. August 2009

Wir starten eine Revolution!

Neben jenen elenden Reimen von "fire" auf "desire" oder "away" auf "stay" sind Textzeilen, welche irgendwie implizieren, man wolle eine Revolution starten wohl das peinlichste, was die Popindustrie anzubieten hat - vor allem wenn gute situierte Philister dies äußern. Denn was heißt es eigentlich eine Revolution zu starten und inwiefern hat Musik etwas damit zu tun? Natürlich, die Flowerpower Welle war von Musik begleitet, die gewisse "Massenmilitanz" vom Punk und so mancher Musiker ist sogar nebenher Revolutionär, aber wie startet man eine Revolution?

Ein interessantes Beispiel ernstzunehmender revolutionärer Gedanken in der "Popkultur" (ich fasse den Rahmen hier sehr weit) hat zu letzt Tom Morello, ehemaliger Gitarrist von Rage against the machine, geliefert. Sein Projekt 'The Nightwatchman' ist voll von revolutionären Anspielungen und auch seine Videos zeigen seine Affinitäten zur ersten Bürgerpflicht: Politisches Engagement. Natürlich sieht die Reaktion auf politisches Engagament, zumindest sofern Lobbyisten eher unzuträglich, in den USA genau so aus wie in Europa, dennoch, es sind interessante Bilder die verbinden. Das interessanteste an seiner Revolution ist jedoch die musikalische Machart. Waren Rage against the machine schon als politische Band wahrnehmbar, so ist es Herr Morello noch umso mehr, allein deswegen, weil er sich, bis auf wenige Ausnahmen, auf eine Gitarre und seinen Gesang beschränkt.

Die Verbindung ist klar, man ist zurück bei den Protestliedern, bei jenen Männern und Frauen, welche sich mit einer Gitarre unter dem Arm gegen die Übel der Welt stellten. Um als prominentestes Beispiel Bon Dylan heranzuziehen sei folgendes gesagt: Die Revolution liegt immer in der Idee. Wer meinen Blog "Ein Tribut" gelesen hat, weiß worum es geht. Man kann im Rahmen seiner musikalischen Tätigkeit zwar durchaus politisches Gedankengut transportieren, doch es wirkt immer etwas heuchlerisch. Ein Song gegen Faschismus hört jeder klar denkende Mensch gern, doch am ehrlichsten wirkt er auf nur einer Gitarre, einem Instrument, das man bei sich trägt, eben wie seine Stimme, nicht von einer Steckdose abhängig, sondern immer einsatzbereit.

Würde Tom Morello bis zum bitteren Ende durchziehen, was er in seinen Texten beginnt, hätte er sicher eine Gefolgschaft. Auch so hat er eine, aber es ist eine Verlegenheitsrevolution, ein wenig wie die revolutionäre erste Mai Demo in Berlin, welche sich, davon ab im Besitz der besseren Alternative zu sein, noch nicht wirklich ins politische Blickfeld rücken konnte - von negativen Schlagzeilen abgesehen.

Will man also eine Revolution starten, ist man allein. Alles andere ist keine wirkliche Revolution. Sucht man erst einmal eine Gefolgschaft, beginnt man zu differenzieren, zu konkretisieren, verliert man sich im Diskurs und stagniert. Mag eine diskursive Gesellschaft auch das erklärte Ziel sein, so ist es eine Revolution nicht. Loyalität oder Tod. Wenn man sich "in der Sache" einig ist, so kann man, ist die Revolution geglückt, diskursiv die bestehenden Verhältnisse schaffen und - dieses scheinbare Paradoxon ist wichtig - die aktuelle Lebenswirklichkeit nachhaltig verändern. Dies ist auch der Grund, warum eine Revolution immer einen gewalttätigen Moment besitzen muss. Glückt sie, wird er als politisch notwendig empfunden (französische Revolution), glückt sie nicht, wird er als stupide betrachtet (RAF). [Die erwähnten revolutionären Bewegungen sollen hiermit beide, ausdrücklich letzte, nicht vorbehaltlos glorifiziert und auch nicht nur als gerechtfertigt werden, es soll nur zum Nachdenken angeregt sein].

Will man, also das Individuum, eine kleine Gruppe von Interessenten etc., also zur Revolution aufrufen sollte eines von vorneherein klar sein: Revolution ist in der Sache die Opposition zum Krieg, in ihrem Verlauf jedoch leider äquivalent. Entscheiden tun am Ende die Sieger und es fließt Blut. Man überlege sich also, ob man Revolutionär bzw. Revolutionärin sein möchte oder doch nur Reformer bzw. Reformerin.

Sonntag, 9. August 2009

Aphorismen

Irgendwie sind sie ja wunderbar und leider sind sie auch irgendwie vergessen, wer schreibt denn heute noch Aphorismen? In Thomas Manns "Zauberberg" gibt es eine wunderbare Stelle, an welcher Settembrini sagt, Hans Castorp könne nun, nach einem weiteren, recht intelligenten Ausspruch, seine Aphorismensammlung beginnen. Ich stelle mir gerade einmal vor, wie in Lektor bei Suhrkamp/Insel, Goldmann oder Fischer über einem 150-seitigen Manuskript voller Aphorismen säße und sich fragte, was das denn nun solle. Nicht, dass ich diesen Lektoren, zumindest Ersteren und Letzteren nicht, unterstellen wollte, sie wüssten nicht, was es mit dem vor sich liegenden Werk auf sich hat, dennoch glaube ich nicht, dass sie Verwendung dafür fänden - und das ist eine Schande.

Ich gebe es ja zu, niemand liest eine Aphorismensammlung von Anfang bis Ende durch, warum sollte man auch, aber es ist doch wahrlich ein immer wiederkehrender Spaß, sich seinem Bücherregal zu nähren, eine Aphorismensammlung aufzuschlagen und einfach wild ein wenig zu blättern. Ich tue das vor allem bei Nietzsche sehr gern. Jeder Aphorismus ist eine Neuentdeckung oder hat sich wegen der Veränderung der eigenen Lebensumstände vollständig in Interpretation und Bedeutung geändert.

Um ein wenig den Spaß zu vermitteln zu versuchen bemühe ich mich an dieser Stelle einmal um eine kleine Demonstration, in dem ich die gesammelten Werke Nietzsches aufschlagen und von jeder mit (kurzen) Aphorismen beschriebenen Seite einen heraussuche, bis ich fünf beisammen habe und lade damit einmal zum freudigen Sinieren über die kurzen Definitionen und Sinnsprüche ein:

Der Brave

Lieber aus ganzem Holz eine Feindschaft
Als eine geleimte Freundschaft
Die fröhliche Wissenschaft

Was wir tun. -
Was wir tun, wird nie verstanden, sondern immer nur gelobt und getadelt.
Die fröhliche Wissenschaft

Und nochmals gesagt. -
öffentliche Meinungen - private Faulheiten
Menschliches Allzumenschliches

Remedium amoris. -
Immer noch hilft gegen die Liebe in den meisten Fällen jenes alte Radikalmittel: Die Gegenliebe
Morgenröte

Verbotene Freigiebigkeit. -
Es ist nicht genug Liebe und Güte in der Welt, um noch davon an eingebildete Wesen wegschenken zu dürfen
Menschliches Allzumenschliches

Ich möchte an dieser Stelle bereits wieder schließen, doch nicht mit meinen eigenen, sondern mit den Worten eines großartigen deutschsprachigen Autors. Gutes Grübeln, abwägen, interpretieren, tadeln, loben und - vielleicht - verstehen.

"Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern"
- Franz Kafka

Dienstag, 4. August 2009

Ein Hoch auf die Gewohnheit!

Brüder und Schwestern, Feinde und so genannte Freunde, Verehrer und Ächter! Ich möchte ein Glas heben, zum Beginn, es dürfen ruhig einige mehr werden. Ein Glas, einen Toast auf die gute, alte Gewohnheit, auf den Trott, auf das sich immer-wieder-wiederholen, auf die Gleichförmigkeit und, das sollte keinenfalls vergessen werden, den Unterschied im Detail, denn, und wenn wir ehrlich sind, wussten wir es bereits alle, neue Ufer sind Ziele für Idealisten, die den Misserfolg zu ignorieren und in jedem Schmerz noch ihre Lehre zu finden wissen.

Ich gebe es hiermit einmal offen und ehrlich zu: Stünde Zarathustra mit all seiner Weisheit vor mir, ich lachte ihn aus, scheltete ihm seiner Idiotie und täte gut daran, denn eines, dass ist gut und wahr: Nietzsche war seiner Zeit soweit voraus, dass wir ihn noch immer nicht verstehen können; und auch daran tun wir gut, denn es ist diese große Liebe zur Trivialität, welche uns doch eigentlich am Leben hält und das Altbekannte, was uns Freude macht und man bedenke: Nicht durch Zorn, durch lachen tötet man. Durch Frohsinn, durch Überlegenheit, ergeben aus Stumpfheit gegen den Innovator, welcher sich dort verhält wider seiner Spezies.

Baute man ein Haus, man baute es aus Gewohnheit (Ja, es handelt sich hier um eine Metapher). Ziegel aus Oberflächlichkeit und Meinung kleideten sein Dach, Mauern aus Genugtuung stärkten seinen Bau und ein Fundament aus Ignoranz geböte dem Allen die letzte Stabilität, bis auf diesen kleinen Keim. Diesen Keim der Ungewissheit, den Keim des Argwohns und des Ekels vor sich selbst im Bewusstsein seiner eigenen Unzulänglichkeit, welche man doch so geschickt hinter seinem gesellschaftlichen Stellung versteckte und jener Beschränktheit, welche man doch hinter einer liberalen Meinung verbarg. Wohl wahr, Meinungen sind die Häute in denen wir gesehen werden wollen und was wir meinen, das bestimmen wir uns selbst, niemals ließen wir uns fallen und täten wir es doch, wir fänden das sichernde Netz vor dem Gewissheit bringenden Aufschlag, federten und landeten sanft auf unseren Füßen, bereit, wieder in die Dunkelheit einer weiteren Höhle zu weichen und der Erkenntnis den Rücken zu zukehren.

Es mag kritisch klingen, überkritisch, doch eigentlich ist es ein Lob, ein geliebter Zug am Menschen, welcher, in der Überzeugung zu wissen was ihm Recht ist in seiner kleinen Welt lebt und dort nicht heraus zu locken ist. Und dies ist sein Überlebenstrieb. Ein angewöhntes Verhalten des Selbstschutzes, wehe dem, der ihn fallen lässt.

Misery loves company, ein englisches Sprichtwort, aus dem lateinischen stammend fällt mir unpassender Weise dazu ein und Watzlawick der da sagte, es sei leicht unglücklich zu werden, aber schwer, es zu bleiben. Ebenso ist es leicht sich neuem zu öffnen, aber schwer, offen zu bleiben. Once bitten, twice shy, sagt da ein anderes englisches Ideom und es hat ebenso recht, klassische Konditionierung würde ich das nennen und es gutheißen, dieses triviale Sein, dieses Leben in Bahnen. Train kept rollin' ist ein alter Bluesklassiker, warum die Schienen verlassen? Man wird doch so sicher auf ihnen geführt. Gottes Wege sind bekanntlich unergründlich, dass negiert quasi seine Existenz, denn jeder Weg ist ergründlich für den, der ihn zu gehen bereit ist und das sind wir alle, oder wären wir alle, wären wir nicht dazu verdammt in einem Determinismus zu leben, welcher uns dieser Entscheidung beraubt. I'd like to jump but I'm afraid to hit the ground, der ewig gleiche Zwang.

Nun, Brüder und Schwestern, Feinde und so genannte Freunde, Verehrer und Verächter. Trinkt, doch, trinkt mit Bedacht - der Schierlingsbecher geht um!