Sonntag, 9. August 2009

Aphorismen

Irgendwie sind sie ja wunderbar und leider sind sie auch irgendwie vergessen, wer schreibt denn heute noch Aphorismen? In Thomas Manns "Zauberberg" gibt es eine wunderbare Stelle, an welcher Settembrini sagt, Hans Castorp könne nun, nach einem weiteren, recht intelligenten Ausspruch, seine Aphorismensammlung beginnen. Ich stelle mir gerade einmal vor, wie in Lektor bei Suhrkamp/Insel, Goldmann oder Fischer über einem 150-seitigen Manuskript voller Aphorismen säße und sich fragte, was das denn nun solle. Nicht, dass ich diesen Lektoren, zumindest Ersteren und Letzteren nicht, unterstellen wollte, sie wüssten nicht, was es mit dem vor sich liegenden Werk auf sich hat, dennoch glaube ich nicht, dass sie Verwendung dafür fänden - und das ist eine Schande.

Ich gebe es ja zu, niemand liest eine Aphorismensammlung von Anfang bis Ende durch, warum sollte man auch, aber es ist doch wahrlich ein immer wiederkehrender Spaß, sich seinem Bücherregal zu nähren, eine Aphorismensammlung aufzuschlagen und einfach wild ein wenig zu blättern. Ich tue das vor allem bei Nietzsche sehr gern. Jeder Aphorismus ist eine Neuentdeckung oder hat sich wegen der Veränderung der eigenen Lebensumstände vollständig in Interpretation und Bedeutung geändert.

Um ein wenig den Spaß zu vermitteln zu versuchen bemühe ich mich an dieser Stelle einmal um eine kleine Demonstration, in dem ich die gesammelten Werke Nietzsches aufschlagen und von jeder mit (kurzen) Aphorismen beschriebenen Seite einen heraussuche, bis ich fünf beisammen habe und lade damit einmal zum freudigen Sinieren über die kurzen Definitionen und Sinnsprüche ein:

Der Brave

Lieber aus ganzem Holz eine Feindschaft
Als eine geleimte Freundschaft
Die fröhliche Wissenschaft

Was wir tun. -
Was wir tun, wird nie verstanden, sondern immer nur gelobt und getadelt.
Die fröhliche Wissenschaft

Und nochmals gesagt. -
öffentliche Meinungen - private Faulheiten
Menschliches Allzumenschliches

Remedium amoris. -
Immer noch hilft gegen die Liebe in den meisten Fällen jenes alte Radikalmittel: Die Gegenliebe
Morgenröte

Verbotene Freigiebigkeit. -
Es ist nicht genug Liebe und Güte in der Welt, um noch davon an eingebildete Wesen wegschenken zu dürfen
Menschliches Allzumenschliches

Ich möchte an dieser Stelle bereits wieder schließen, doch nicht mit meinen eigenen, sondern mit den Worten eines großartigen deutschsprachigen Autors. Gutes Grübeln, abwägen, interpretieren, tadeln, loben und - vielleicht - verstehen.

"Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern"
- Franz Kafka

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