Montag, 20. Juli 2009

Empathie für Diktatoren

Ein wunderbar missverständlicher Titel. Man mag es herauslesen, es scheint intrinsisch notwendig, dass jene Solitärs an der Spitze des Staates ein deutlich größeres Empathievermögen bräuchten. Nun, das mag sein, ich kenne Keinen, aber ich kenne viele, die eine deutlich größere Empathie für Diktatoren entwickeln sollten.

Es klingt, das muss ich zugeben, doch immer ein wenig unglaubwürdig, wenn ein einzelner Mensch ein Schlachtfeld humanitärer Katastrophen hinterlässt nur um im Anschluss zu beteuern, er habe dies doch garnicht gewollt. Doch könnte dem nicht wirklich so sein? Kann es nicht jene logische Konsequenz aus einem kleinen Fehltritt geben? Den Flügelschlag, welcher zum Hurricane mutiert? Eine nicht geschlossene Tür, ein Schmierzettel an falscher Stelle und alles wendet sich zum schlechten, doch aus Angst, oder Verantwortungsgefühl, oder gar moralischer Überlegenheit beginnt einer Prozess der permanenten Machtsicherung, welcher zu eben jenen Diktaturen führt, welche uns im Allgemeinen bekannt sind.

Nun vielleicht ist es nicht irgendein Schmierzettel, aber es mag mit äquivalent trivialen Ereignissen beginnen. Machtsicherung beginnt im kleinsten, beginnt eigentlich schon bei der Frage, wer den Platz an der Wand bekommt oder wer bei der Sitzung vor Kopf sitzt. Subtile Machstrukturen entstehen zumeist nicht über Ämterbezeichnungen, sondern über Geleistetes, welches man in den Kontext mit den Leistungen anderer stellt, meist um seine Position hervorzuheben. Es ist ein wenig eine katholische Angelegenheit, man will der Erste unter gleichen sein und hat man dies erst erreicht, so ist man Papst - oder einfach eine Sprosse auf der Hierachieleiter weiter nach oben geklettert.

Der problematische Teil, welcher schlussendlich den Rebellen zum Diktator macht, oder eben den kleinen Arbeiter oder jeden beliebigen - sicherlich moralisch legitimierten - Menschen, welcher eine Veränderung wünscht, beginnt dann in der Abschottung. Es lebt sich Gefährlich, wenn man revolutionäre Ideen hatte (Nietzsche wusste das) und selbst, wenn man nur eingefahrene bürokratische Systeme aufbrechen will, weiß man nie, ob man nicht in ein Wespennest sticht. Die logische Konsequenz daraus ist ein Abschotten, ein Absichern und, denn auch Revolutionäre werden gelegentlich von Selbstzweifeln geplagt, eine immer wiederkehrende Selbstversicherung etwas "Gutes" (das dieser Begriff so abstrakt ist widerstrebt mir durchaus auch, doch finde ich keinen Treffenderen und in seiner Abstraktheit lässt er doch unterschiedliche Deutungsarten zu, die verschiedenen Lesern sicherlich, zumindest im Durchschnitt, ein entsprechendes Bild zur Verdeutlichung meiner These zugänglich machen) zu tun. Und genau hier liegt eben das Problem, der Abgleich zwischen Ideal und Realität ist nicht mehr möglich und der einstige Schöpfer der Veränderung wird, man mag sich das vorstellen wie dem späten Beethoven, taub für die Lebenswirklich, dirigiert stattdessen eine Symphonie der Zerstörung, welche ihm als Arie der Glückseligkeit erscheint.

Zugegeben: Es gibt Diktatoren, welche ihre Länder und deren Bevölkerung bewusst ausbeuten und zur Genüge jene, die sich im Wohlstand so eingelebt haben, dass sie ihre Prinzipien dem Geld geopfert haben, doch, und hier mag ein jeder einen Selbstversuch wagen, ersuchen wir nicht alle die Sicherung von Dingen, die wir für gut und richtig halten?

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