Montag, 14. September 2009

Perspektivenwechsel

Ich möchte an dieser Stelle einmal etwas eigenes literarisches einfügen. Das folgende Werk gehört nicht zu meiner aktuellen Sammlung, ist aber bereits in die nächste vorbedacht:

„Entschuldige, aber wie heißt du überhaupt?“

Ich blicke ihn wütend an, während sie ihren Namen nennt. Das war der primäre Reiz, ich will endlich einmal mit einer Frau schlafen, deren Namen ich nicht kenne. Dann am Besten weit weg von zu Hause, in der freien Natur, wir werden uns sobald nicht wiedersehen. Sie ist ein Stück nähergerückt, meine ich. Ich rede, führe aus, scheine mich großartig zu artikulieren. Sein Blick sagt mir das, sein Blick sagt mir, dass sie an meinen Lippen hängt. Wahrlich ist sie auf mich fixiert, ich sehe es, wenn ich mich zur Seite wende, ich versuche es mit Körperkontakt. Sie wehrt sich, wehrt sich so minimal wie mein Versuch minimal war. Sie schätzt mich, meine ich, ich will sie einfach nur vögeln, der Mensch ist mir egal, ich bin auf die Hülle fixiert...ich rede noch immer.


Fühlen sich so Menschen mit besonderen Themengebieten? Gibt es Linguisten, welche einfach in einen Dialekt verfallen, weil sie inzwischen genervt sind, da man sie immer wieder fragt, ob denn nun der Genitiv oder der Dativ angebracht wäre? Ich möchte stumpf sein, aber ich bin der Intellektuelle an diesem Tisch und ich rede noch immer. Über Literatur, oder Filme, oder Musik, ich weiß es nicht. Fick mich!


Wahrscheinlich bin ich ein äußerst interessanter Mensch. Wahrscheinlich kann man sehr gut mit mir reden. Wahrscheinlich wird sie ganz gut von mir unterhalten. Ich möchte das nicht und immer noch rede ich. Ich werfe französische Begriffe ein, ich beherrsche diese Sprache so sehr wie ich sie liebe – garnicht. Und dennoch rede ich, sage intelligente Sachen, werde kritisch bis bewundernd begutachtet, möchte doch nur stumpf sein. Hör doch einfach auf mich interessant zu finden. Hör doch einfach auf dich zu freuen mir begegnet zu sein. Finde mich doch einfach unausstehlich, aber sexuell begehrenswert und FICK MICH!


Genau so muss sich der berühmte Tenor fühlen, wenn er in Gesellschaft gepflegt einen heben möchte und dann doch ein Ständchen singen soll. Der Hausherr säße eben gerade am Klavier und habe das „Nessum Dorma“ geübt, man könne ihm diesen Wunsch ja nicht verwehren. Dort steht er dann also, lächelt, das Glas in der Hand und weiß nur, dass er in spätestens zwei Stunden den teuren Champagner gegen abgestandenes Bier tauschen wird. In dieser kleinen Kneipe, in welcher ihn keiner kennt, weil niemand dort in den oberen Kreisen verkehrt oder sich für seine Musik interessiert. Dort kann er einfach mal einen trinken. Ich trinke bereits Bier und bin dennoch irgendwie interessant. Deine Anwesenheit verunsichert mich, ich versuche lustig zu sein, bin es anscheinend, wirke kultiviert, aber nicht arrogant. Bin ja so interessant und will nur stumm sein. Fickt Euch!


Er sagt mir, sie habe die Augen nicht von mir gelassen, ich sage ihm, dass sie ihre Hände dafür sehr wohl bei sich lies. Er erwidert verwundert, dass ich garnicht betrunken gewirkt habe, meine Erinnerung besteht aus Fragmenten. Er empfand mich als charmant und unaufdringlich. Er sagt, ich habe die Kurve noch bekommen, sei nicht zu offensiv gewesen. Ich hätte lieber eine schallende Ohrfeige empfangen als leise Bewunderung. Fick dich!


Der Tachometer zeigt 180 km/h und überlege das Steuer los zu lassen. Mit einem lauten Lachen, einem Schreien. Orgasmische Agonie. Ich besinne mich und verringere die Geschwindigkeit, weil die Kurvenlage der Autobahn mir zu viel Konzentration abfordert. Ich werde dich so schnell nicht wiedersehen, habe keine Nummer von dir, aber deinen Namen. Brauche deinen Namen nicht, will deinen Namen nicht, wollte doch nur eine schnelle Ablenkung, ein kleines Intermezzo. Nein, ich bekam einen bewundernden Blick. Fuck you!


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