Montag, 1. Juni 2009

Ganz aktuell!

Erinnert sich noch jemand an die Berichterstattung nach dem Amoklauf von Winnenden und die entsprechende Medienkritik, welche in Folge ganz kurz aufbrandete? Damals sagte irgendein Journalist grob folgendes: "Das Problem mit der Aktualität ist jenes, dass, wenn es keine Nachrichten gibt, sie eben produziert werden müssen."

Der Höhepunkt der Idiotie ergab sich im Liveticker eines Fernsehsenders, welcher die Position seines Hubschraubers immer wieder genau angab. Nichtigkeiten im Stakkato: Überfliegen jetzt Autobahn, Hubschrauber gelandet, Journalisten in Innenstadt, Schule fast erreicht etc.. Mit seriösem Journalismus hat das sicher nichts mehr zu tun.

Wie komme ich nun darauf? Es war RockHard Festival und vor mir liegt eine Seite mit Notizen und Anmerkungen und natürlich muss auch ich schnell sein, also wird dieser Bericht heute noch geschrieben. Natürlich mit Recherche. Es geht darum möglichst viele Playlists zu bekommen, Namen auf Schreibweisen zu überprüfen, fragwürdige Informationen noch einmal gegen zu lesen und den Kollegen aus der Photoabteilung noch einmal zu befragen und Bilder zur Auffrischung des Gedächnises heranzuziehen. Ja, so sieht die Arbeit eines kleinen, unbezahlten Onlineschreiberlings aus.

Die WAZ bzw. DerWesten.de berichteten ebenfalls über das RHF, im Liveblog. Eine Journalistin, man will hoffen, es war eine Praktikantin, ohne Vorwissen über den musikalischen Backround des Festivals, zumindest erscheint es so, tippt vollkommen uninteresannte und stellenweise falsche Dinge in ihr Notebook und schickt es direkt online. Ja, so sieht Journalismus Anno 2009 aus, egal was, hauptsache es geht schnell.

Nun, ich werde jetzt meine Notizen durchsehen und mit meinem Bericht beginnen.

1 Kommentar:

  1. Die Geschwindigkeit des Journalismus ist doch ein altes Problem:
    Schweine-Grippe? Hört man nichts mehr von - muss wohl vorbei sein ... (erinnert sich noch jemand an die Vogelgrippe?).
    Wirtschaftskrise? Ja, da hört man noch ein bisschen, aber nicht mehr in den großen Magazinen - flaut also langsam ab.
    Umwelt? Habe schon seit einigen Monaten nichts von Al Gore gehört - also scheint die Umwelt gerettet, nicht wahr?
    Das Ganze baut aber wunderbar auf die Geisteshaltung der Menschen auf.
    "Lange Sichtweise" ist heute nicht mehr.. man will sich durch die Medien bestätigt fühlen in seiner kleinen Welt und/oder will mit Skandälchen und Halbwissen von der eigenen Scheiße abgelenkt und Unterhalten werden. Reflexives Denken? Planung?

    Gleiches gilt dann im Übertrag auch für die, die selbst im Interesse der Öffentlichkeit stehen: Man muss doch alles was man zu sagen hat und tun will schnell machen - in spätestens 2 Jahren redet doch schon niemand mehr von dir...
    Da fällt mir ein: Wo sind eigentlich Paris Hilton und George Bush abgeblieben?

    Ansonsten kann ich nur auf die "The Daily Show" verweisen, die uns amerikanischen Journalismus wunderbar erklärt: Wenn Obama sich einen Burger holt, werden die Nachrichten einen 15 minütigen Bericht improvisieren um uns das Mittagessen von Obama genau zu erklären, zu zeigen wie volksnah und normal er is(s)t usw. Ausser bei Fox - DIE werden darüber berichten, dass für Obamas Mittagsmahl eine Kuh sterben musste...
    Dass der Bericht über chinesische Erdbebenopfer in beiden Fällen jeweils nur knappe 5 Minuten lang war, ist ja unerheblich ....

    AntwortenLöschen